Staatsoper: Macbeth und seine Lady, hautnah

Tatiana Serjan und George Petean
Tatiana Serjan und George Petean(C) Staatsoper/ Michael Pöhn
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Wien-Debütantin Tatiana Serjan und George Petean im Gespräch über die Frage, ob Verdis und Shakespeares Antiheld und seine Frau einander je geliebt haben.

Verdis „Macbeth“? Die desaströse Premiere der Produktion in der letzten Spielzeit der Ära Holender ist dem Publikum noch gut in Erinnerung. Geplante Folgevorstellungen mussten noch in der Saison aus dem Spielplan genommen werden. Daher also ungewöhnlich rasch ein neuer Versuch mit dem vielleicht kühnsten Stück, das dieser Komponist geschrieben hat. Auf halbem Weg zwischen „Nabucco“ und „Rigoletto“ wagt sich Verdi das erste Mal an Shakespeare und beantwortet dessen dramaturgische Radikalität mit einer nicht minder radikalen Tonsprache.

Zwar hat er die Formkonzepte eines Belcantodramas noch nicht ganz abgelegt, doch sprengt er sie immer wieder auf. Und vor allem: Er verlangt von seinen Sängern äußerste Wahrhaftigkeit des Ausdrucks. Legendär sind seine Aussagen über den Gesang der mörderischen Lady Macbeth: keine Rücksicht auf das, was man Schöngesang nennt, geradezu hässlich könnten manche Passagen klingen.

Die Kunst, „hässlich“ zu singen

Das ins Stammbuch von Primadonnen! Die „Interpretation“ dieser Anweisungen stellt jede Verdi-Sängerin vor heikle Herausforderungen. „Es ist ja schon eine enorme Aufgabe“, sagt Staatsoperndebütantin Tatiana Serjan, „wenn man versucht, umzusetzen, was in der Partitur steht. Allein die dynamischen Vorschriften sagen viel aus: Unglaublich, wie oft Verdi vorschreibt, die Stimme total zurückzunehmen. Das ist keine Frage des Timbres. Es gilt, die richtigen Farben zu finden.“

„Man ist ja geboren mit einer Stimme“, springt Macbeth, George Petean, seiner Lady bei: „Man versucht, mit Klangfarben zu experimentieren. Aber man muss bei einer gesunden Stimme bleiben, darf sie nicht denaturieren. Obwohl die Rolle der Lady oft nah am Sprechgesang ist und auch viele Stellen für Macbeth alles andere als belcantesk sind. Vieles ist sehr dramatisch, fast möchte man sagen: veristisch. Eigentlich hat nur Banquo (diesmal Ferruccio Furlanetto, Anm.) ausschwingende Melodiebögen zu singen.“

Das Wiener Macbeth-Paar macht im Vorgespräch einen höchst freundschaftlichen Eindruck und gibt sich entspannt, als ginge es darum, eine Komödie einzustudieren. Ob die beiden, Macbeth und die Lady, einander irgendwann einmal wirklich geliebt hätten? „Es gab vielleicht einmal Liebe zwischen den beiden“, sagt Tatiana Serjan, „aber das ist lang vorbei, wenn das Stück beginnt. Aber sie brauchen einander. Einer allein käme nie an die Macht. Und ohne sie wäre er sicher nie König geworden.“

„Ob Macbeth seine Frau liebt, ist nicht klar“, ergänzt Petean, „im Mittelalter war das an Königshöfen völlig anders, als wir es uns heute vorstellen. Geheiratet hat man sicher nicht aus Liebe. In diesem Fall kann man aber sagen: Diese Frau besitzt ihren Mann im wahrsten Sinne des Wortes. Man könnte das Wortspiel noch fortsetzen: Er ist besessen von ihr.“

Einige Verehrung für das Genie Verdi

Für Tatiana Serjan ist die Lady Macbeth eine ihrer wichtigsten Partien: „Ich weiß gar nicht, in wie vielen Produktionen ich sie schon gesungen habe,“ sagt die russische Künstlerin, die in ihrer Karriere erst ein einziges Mal in einer russischen Partie aufgetreten ist: „Das war die Lisa in einer Aufführung von Tschaikowskys ,Pique Dame‘ unter Mariss Jansons.“ Sie sieht das nicht als Mangel: „Ich liebe ja auch Mozart, ich liebe Wagner. Aber man kann nicht von Engagement zu Engagement die Stimme – und auch die Sprache – umstellen. Verdi steht für mich im Zentrum. Es hat ja auch kein Komponist so wunderbar für Stimmen geschrieben wie er.“

Eine Aussage, die George Petean unterschreibt, der den Macbeth eigentlich erst später in seiner Karriere singen wollte. Als Wien rief, entschied er sich für das Debüt: „Ich habe die Rolle in kürzester Zeit gelernt, im vergangenen August“, sagt er. So etwas komme schon einmal vor: „Den Don Giovanni habe ich in zwei Wochen studiert.“

Dafür bleibt er in den kommenden Monaten bei seinem angestammten Verdi-Repertoire und singt die großen Baritonrollen in „Ballo in maschera“ oder „Simone Boccanegra“, „Don Carlos“ oder „Trovatore“ – sie seien „alle grundverschieden“, sagt er, „aber der Macbeth ist komplizierter als alle anderen, denn er braucht mehr Farben, er hat Angst, er wird verrückt, er hat Kraft, dann hat er keine Kraft...“

DER NEUE „MACBETH“ IN WIEN

Premiere der Neuinszenierung ist am 4.Oktober. Christian Räth führt in Bühnenbildern von Gary McCann Regie. George Petean feiert sein Rollendebüt in der Titelpartie, Tatiana Serjan ihr Hausdebüt als Lady Macbeth. Als Banquo ist Ferruccio Furlanetto zu erleben, als Macduff Jorge de Leon. Den Malcolm singt Jinxu Xiahou.

An der Staatsoper war Verdis 1847 in Florenz uraufgeführte Oper zuletzt im Dezember 2009 zu erleben. Die Premiere der Inszenierung von Vera Nemirova fiel so eklatant durch, dass geplante Wiederholungen gegen Ende der Spielzeit gestrichen wurden. Auf mehr als zehn Aufführungen brachten es in der Vergangenheit nur die Inszenierungen von Otto Schenk (18) und Peter Wood (49).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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