Die Scala-Saison ist eröffnet: Anna Netrebko sang

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Neugierige konnten das Comeback der Diva in Verdis „Giovanna d'Arco“ auch im TV bewundern – und rätseln.

Die Netrebko, gewiss, und der Ehrgeiz eines frischgebackenen Chefdirigenten: Aber dass Giuseppe Verdis „Giovanna d'Arco“ nie auf den Spielplänen aufscheint, hat seine Gründe. Kraus ist die historisch völlig verdrehte Geschichte, kraus die verhatschte Dramaturgie und enttäuschend das völlige Ausbleiben der bei Verdi immer erwarteten Ohrwürmer.

Freilich: Anna Netrebko macht aus allem etwas. Verdis Johanna von Orleans singt sie gern. Schon bei den Salzburger Festspielen, konzertant, war Franceso Meli ihr König Karl und konterte, wo sich die Titelheldin in ätherisch schwebenden Piani verlor, in gehauchtem Falsett. Im Forte liefert er kraftvolle Phrasen; mit der Verinnerlichung, der ausdrucksvollen Differenzierungskunst der Netrebko kann er naturgemäß nicht mithalten.

Tapfer, aber angesichts der gestellten Aufgabe chancenlos schlug sich der kurzfristig eingesprungene David Cecconi: Der eigene Vater klagt die Tochter wütend der Hexerei an, erkennt später seinen Irrtum und versöhnt sich mit ihr, bevor sie gegen die Engländer in die Schlacht zieht und auf dem Felde der Ehre zu Tode kommt; nicht ohne noch zu Klarinettenbegleitung ein rührendes Gebet an die Madonna zu singen.

Dergleichen lässt sich auf der Bühne nicht glaubwürdig realisieren. Das Regisseur-Team Leiser und Caurier inszeniert die Geschichte daher als Delirium einer Sterbenden. Perchten stürmen in die Grottenbahnszenerie inklusive Minimundus-Replik der Kathedrale von Reims: Der Chor hält immerhin reiche Ernte. Das Scala-Orchester unter Riccardo Chailly, so viel lässt sich sogar via TV-Übertragungston beurteilen, schmiegt sich durchwegs aufmerksam an die Bedürfnisse der Sänger an.

Gewisse Momente dieser Partitur klingen freilich wie eine Bestätigung der schlimmsten Vorurteile, die man in deutschsprachigen Landen gegen die Italianità auf der Opernbühne hegt: Am lustigsten legen die Musikanten dort los, wo die Jungfrau am Marterpfahl die kriegerischen Ereignisse kommentiert; Verdi war noch nicht ganz Verdi.

Aber Scala bleibt Scala: Die Saison ist eröffnet, die Seitenblicke-Gesellschaft zeigte ihre Juwelen. Und im Jänner gibt es an der Scala für Verdianer ja auch schon wieder „Rigoletto“ . . . (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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