Jubiläum: Dem rasantesten Figaro zum Geburtstag

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Gioacchino Rossinis Geburtstag ist am 29. Februar zu feiern. Da der Meister in einem Schaltjahr geboren wurde, ist es der 56. Beinahe zumindest. Auch wenn nicht alle vier Jahre Schaltjahr ist: Der „Barbier von Sevilla“ wird heute 200!

Es ist genau umgekehrt wie bei den zeitgenössischen Opern: Die werden in aller Regel, weil Publikum und – vor allem – Rezensenten ihre Aufgeschlossenheit unter Beweis stellen müssen, unter großem Zuspruch vom Stapel gelassen, versinken dann aber bald rettungslos im unerbittlich flutenden Ozean der Musikgeschichte. Manche unvergänglichen Meisterwerke hingegen erlebten beim Start ein Desaster.

Der „Barbier von Sevilla“ beispielsweise fiel am 20. Februar 1816, also vor genau 200 Jahren, im römischen Teatra Argentina regelrecht durch. Warum das so war, ist bis heute nicht ganz klar. Waren es Provokateure eines Konkurrenzunternehmens, waren es die Anhänger der Musik Giovanni Paisiellos, dessen „Barbiere di Siviglia“ eine der frühesten Vertonungen des Sujets darstellt, und der tatsächlich eine der allerbesten Buffo-Opern ist, die je geschrieben wurden?

Vielleicht war es auch eine Kombination von beidem. Jedenfalls konnten sich die Darsteller und Musiker vor Protesten während und nach der Vorstellung kaum retten. Erst die Reprisen der ersten Produktion gerieten zu Erfolgen; und es hat ein wenig gedauert, bis sich in anderen Städten die Überzeugung durchsetzte, dass man es da mit einem weiß Gott nicht alltäglichen Meisterwerk zu tun hat. Freilich: Überall, wo man das Stück auf das Programm setzte, war es sogleich ein Favorit des Publikums.

Beethovens fragliches Lob

Angeblich soll Ludwig van Beethoven, der nach einigem Hin und Her den jungen Kollegen bei dessen Wien-Besuch dann doch empfangen hat, auf der Treppe nachgerufen haben: „Machen Sie viele Barbiere . . .“

Nun weiß man nicht sicher, ob diese Visite tatsächlich stattgefunden hat. Rossini berichtet davon, einige Beethoven-Vertraute bestreiten, dass der große Symphoniker dem Italiener je die Hand geschüttelt habe; dass Beethoven sich über den „Rossini-Rummel“ in Wien sehr geärgert hat, ist ein Faktum. Die Popularität der italienischen Opern kratzte ja an seinem Ruhm, oder zumindest an den Aufführungszahlen. Immerhin: Wenn es ein Werk gab und gibt, das über die Jahrhunderte für die Singularität des Operngenies Rossini Zeugnis abgelegt hat, dann ist es der „Barbier“, der ursprünglich nicht einmal den Titel von Beaumarchais Vorlage trug, sondern als „Almaviva ossia L'inutile precauzione“ über die Bühne ging.

Das war vielleicht ein Zugeständnis an den Tenor-Star Manuel Garcia, den ersten Almaviva, der natürlich die Titelpartie verkörpern wollte; vielleicht aber auch eine Reverenz an Paisiello, wie Rossinis Parteigänger den Verehrern des ersten berühmten „Barbier“-Komponisten versicherten.

Seinen Siegeszug trat das Stück schon als „Il barbiere di Siviglia“ an. Und kein Mensch hat je bemerkt, in welcher Eile diese perfekte Musikkomödie einst entstand. Das Libretto war in etwas mehr als einer Woche fertig. Für die Musik benötigte der Vielschreiber Rossini dann nicht einmal 14 Tage.

Ein Meister nimmt Selbstanleihen

Dabei hält sich die Zahl der Selbstplagiate in Grenzen. Ein paar melodische und dynamische Einfälle, so etwa das berühmte Crescendo in Don Basilios „Verleumdungsarie“ stammen aus früheren Kompositionen. Nur die Ouvertüre hatte Rossini bereits zweieinhalb Jahre früher in „Aureliano in Palmira“ verwendet und vier Monate vor der „Barbier“-Uraufführung auch als Introduktion für „Elisabetta, regina d'Inghilterra“. Bemerkenswert immerhin, dass Musik, die uns heute wie die Inkarnation des geistvollen musikalischen Unterhaltungsgenres anmutet, auch vor tragischen Geschichten passend zu sein schien . . .

Wie feinsinnig und raffiniert im „Barbiere“ nach dem Aufgehen des Vorhangs dem Komödiantischen gefrönt wird, erweist Rossinis Werk jedenfalls seit 200 Jahren. Kaum ein Werk der Musikgeschichte hat es auf derartige Aufführungszahlen gebracht – von Rossini selbst kommen bestenfalls die nach ihm benannten Tournedos noch öfter auf den Teller, als der Figaro „da und dort und oben und unten und drüben und hüben“ im Opernhaus zu finden ist. Allein an der Wiener Staatsoper hat man ihn seit Eröffnung des Hauses am Ring an die 800 Mal erleben können, davon 402 Mal in der aktuellen Inszenierung Günter Rennerts, die so frisch wirkt wie das Stück selbst . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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