Salzburger Festspiele: Beethoven, Boulez und Verständigung

Barenboim
Barenboim(c) EPA (ALBERTO MARTIN)
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Daniel Barenboim und das West East Divan Orchestra begeisterten.

Noch ist die konfliktfreie Verständigung von Israelis und Palästinensern, die Idee zweier unabhängiger und gleichberechtigt nebeneinander stehender Staaten Utopie. Seit zehn Jahren aber liegt ein Modell vor, das zeigt, dass – und vor allem wie – sich dies realisieren ließe. So lange gibt es das von Daniel Barenboim und dem inzwischen verstorbenen palästinensischen Kulturwissenschaftler Edward Said gegründete West East Divan Orchestra. Das gemeinsame Projekt mit Standort Sevilla entstand, als sich im Rahmen eines Orchesterseminars gezeigt hatte, über welches musikalische Niveau arabische Musiker längst verfügen.

Die Idee schlug nicht nur unverzüglich ein, sondern bewährte sich in den vergangenen Jahren auch in politisch brisanten Situationen. Trotz, vielleicht auch wegen der für Projekte dieser bekennenden Art geradezu selbstverständlichen Anfeindungen. Barenboim wurde vorgeworfen, seine Seele „an den palästinensischen Teufel verkauft“ zu haben, wie er in einem Interview betonte. Seinem hochgebildeten Mitstreiter Said erging es in den eigenen Reihen nicht besser. Heute ist die multikulturelle Musiziergemeinschaft, ein Musterbeispiel für mutig gelebten Humanismus, zum begeistert gefeierten Vorbild für die Überwindung politischer Unterschiedlichkeiten geworden und aus dem internationalen Kulturleben nicht mehr wegzudenken.

Feuerwerk und Meisterkurs

Zum zweiten Mal wurde dieses Orchester mit dem Gründer und Chefdirigenten Daniel Barenboim zu den Salzburger Festspielen eingeladen: für eine fünftägige Residenz mit sechs Auftritten. Nach zwei konzertanten „Fidelio“-Aufführungen und einem das Thema Liebe weitgespannt darstellenden Konzert im Großen Festspielhaus mit Liszts „Les Préludes“, Vorspiel und Isoldes Liebestod aus Wagners „Tristan“ und Berlioz' Symphonie fantastique kam auch die klassische wie avancierte Moderne zum Zug.

„PercaDu“ nennt sich ein israelisches Schlagwerkduo, dem es an Technik und Musikalität so bald keine Formation nachmachen wird können. Ein Feuerwerk mitreißender Rhythmen und differenziertester Klanglichkeit offerierten Adi Morag und Tomer Yariv, Absolventen der Dänischen Musikademie in Kopenhagen, am Beispiel zweier staunenswerte Brillanz abverlangender Stücke von Avner Dorman und Minoru Miki und sorgten so für eine von Beifall umtoste Eröffnung von Daniel Barenboims Meisterkurs in der Großen Universitätsaula.

Der hatte sich dann nichts Komplexeres vorgenommen, als das Publikum mit Alban Bergs diffizilem Kammerkonzert für Klavier, Geige und Bläser zu konfrontieren. Erst schilderte er den Anlass der Entstehung, Schönbergs 50.Geburtstag. Dann ließ er die Musiker die wesentlichen Themen anspielen, erläuterte die spezifische Struktur des sich immer wieder um die Zahl drei drehenden dreiteiligen Werks, das zuletzt in einer betont ausdrucksreichen Darstellung vollständig erklang. Selbstredend mit einem ideal aufeinander eingestimmten arabisch-israelischen Solistenduo: dem jungen Pianisten Karim Said und Barenboims Sohn Michael an der Violine. Der hatte zuvor mit Pierre Boulez' „Anthèmes I“ eines der heikelsten Violinsolostücke jüngerer Provenienz zu bewältigen.

Eine ideale Einstimmung für die zwei Kammerkonzerte im Mozarteum. Hier präsentierten sich die ganz in ihrer Aufgabe aufgehenden, glänzenden jungen Musiker noch mit expressiven Wiedergaben von Schönbergs erster Kammersymphonie, Boulez' anspruchsvollem Cellostück „Messagesquisse“ (beide dirigiert von Barenboim), Mendelssohns Streicheroktett und – mit der hinreißenden Altistin Hilary Summers und dem Komponisten am Pult – Boulez' Jahrhundertopus „Le Marteau sans maître“. Besser, auch musikalisch, lässt sich für grenzenloses Verstehen nicht werben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2009)

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