Dirigent Sir Neville Marriner mit 92 Jahren gestorben

Sir Neville Marriner (1924 - 2016)
Sir Neville Marriner (1924 - 2016)EPA
  • Drucken

Der Brite gründete die Academy of St. Martin in the Fields und gab noch im August ein umjubeltes Gastspiel bei den Salzburger Festspielen. Ein Nachruf.

Im Herzen war er sein ganzes, langes Künstlerleben ein Kammermusiker. Sir Neville Marriner, der Gründer der legendären Academy of St. Martin in the Fields, war Geiger. Ausgebildet am Pariser Conservatoire und am Londoner Royal College beschloss der junge Mann aus Lincoln, sich der grob vernachlässigten Gattung des Kammerorchesters zu widmen – im Geiste jener Kammermusik, die er als Student so leidenschaftlich gepflegt hatte, als Mitglied von Trios und Streichquartetten. Die dort erreichte, feinsinnige Differenzierungskunst, das Aufeinanderhören beim Musizieren, das sollte, das musste doch auch zumindest auf schmale Orchesterbesetzungen anzuwenden sein.

Erfülltes Musikerleben

Wie es um die Musiziergesinnung in größeren Ensembles bestellt ist, hatte er als Substitut unter anderem im Verband des London Symphony Orchestra erfahren. Wie ein Dirigent einem Kollektiv bemerkenswerte Leistungen herauslocken kann, lernte er im Umgang mit den bedeutendsten Maestri des 20. Jahrhunderts. Neville Marriner musizierte mit Wilhelm Furtwängler und Arturo Toscanini, mit Leopold Stokowski und George Szell. Er lernte also höchst unterschiedliche Zugänge zur pädagogischen wie zur psychologischen Arbeit mit den Musikerkollegen kennen und bewundern.

Niemand Geringerer als Pierre Monteux, Dirigent der berüchtigten Skandal-Uraufführung von Igor Strawinskys „Sacre du printemps“, gab dem jungen Geiger Kapellmeister-Unterricht. Dass er sich stets ein Faible für ein breit angelegtes Repertoire bewahrt hat, das auch komplizierte Partituren der Moderne einschloss, geht wohl auf diese Lehrzeit zurück. Doch steht der Name Marriner in den Köpfen der internationalen Musikfreunde zu allererst für gediegene Interpretationen von barocker und klassischer Musik.

Für Dienstag war Auftritt in Wien geplant

Als Leiter seiner Academy wurde Marriner zu einem der meistbeschäftigten Maestri des Langspielplatten-Zeitalters – seine Aufnahmen fanden sich dann auch in der CD-Ära in allen Haushalten; und die Welt pilgerte wohlvorbereitet zu seinen Konzertauftrittener – ob mit der Academy oder bald auch mit Symphonieorchestern größeren Zuschnitts. Jubel gab es zuletzt nach seinem Auftritt bei den Salzburger Festspielen; die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien muss nun nach einem Ersatzdirigenten suchen: Marriners nächster Auftritt mit der Academy sollte am kommenden Dienstag im großen Musikvereinssaal erfolgen. Der Künstler, bis zuletzt bei bester Gesundheit, ist in der Nacht auf Sonntag im 93. Lebensjahr friedlich entschlafen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Salzburger-Festspiele

Sir Neville Marriners untrügliches Gespür für Mozart

Der 92-jährige Dirigent begeisterte Musiker wie Publikum im Mozarteum.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.