Hahn und Mutter: Geigerischer Glanz und Uneinigkeit

 Souverän: Stargeigerin Hillary Hahn aus Lexington, Virginia, 2015 mit einem Grammy ausgezeichnet.
Souverän: Stargeigerin Hillary Hahn aus Lexington, Virginia, 2015 mit einem Grammy ausgezeichnet.(c) IMG Artists
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Hilary Hahn und Anne-Sophie Mutter gastierten in Wien mit zwei Paradestücken des Repertoires. Das Zusammenspiel mit den Orchestern ließ zu wünschen übrig.

Konzert für Violine und Orchester“. Das könnte nahelegen, dass es sich dabei um eine gemeinsame Unternehmung handelt. Könnte. Ja, „concertare“ bedeutet auch wetteifern oder streiten, was eine gewisse Uneinigkeit impliziert – aber die sollte sich auf der Konzertbühne dann doch nicht einstellen.

Mit Hilary Hahn und Anne-Sophie Mutter gastierten am Wochenende zwei Topsolistinnen aus zwei Generationen in Wien. Für geigerischen Glanz war also gesorgt, für Uneinigkeit leider auch, wenn auch auf unterschiedliche Weise: Hahn hatte im Wiener Konzerthaus für das Violinkonzert von Max Bruch das Orchestre Philharmonique de Radio France unter seinem Chefdirigenten, Mikko Franck, an ihrer Seite, physisch jedenfalls. Doch die spärlichen Impulse, die sie vom Dirigentenpult erhielt, waren der US-Amerikanerin verständlicherweise zu wenig, und so versuchte sie so nachdrücklich wie erfolglos durch Gestik per Kopf, das Orchester zu intensiverer Mitarbeit zu animieren. Schon bei der einleitenden Ravel-Suite („Ma mère l'oye) hatte Franck zu defensiv, zu brav agiert, zu wenig die farblichen Möglichkeiten ausgereizt, die das Werk bieten würde. Noch stärker kamen dieselben Mängel bei der zweiten Symphonie von Jean Sibelius zum Tragen: Eine Interpretation auf Sparflamme, bei der es Franck nie gelang, einen Energiefluss zu entwickeln oder musikalische Kausalitäten hörbar zu machen.

Zu dicker Ton für Mendelssohn

War die technisch brillante Hilary Hahn, die auch bei romantischen Konzerten einen nüchtern-sachlichen, die Grenze zur Distanziertheit streifenden Ton kultiviert, somit bei Bruch weitgehend alleingelassen, so zeigte sich tags darauf im Musikverein das entgegengesetzte (Hör-)Bild: Anne-Sophie Mutter hatte für Mendelssohns e-Moll-Konzert die Londoner Philharmoniker und Robin Ticciati im Schlepptau – und Ticciatis immens umsichtiger Begleitung war es zu verdanken, dass das Werk trotz Mutters egozentrischer, auf das Orchester keine Rücksicht nehmender Spielweise nicht auseinanderfiel. Mit einem für Mendelssohn zu dick aufgetragenen Tschaikowski-Ton schien es stellenweise, als sei die Solistin Mutter auf der Flucht vor dem Orchester. Der dritte Satz geriet fast zur Zirkusnummer, unter Preisgabe melodischer Verläufe. Dass es auch anders geht, zeigte sie bei einigen hauchzart hingestreichelten Piano-Passagen im ersten Satz, in subtilem Zusammenspiel mit Klarinetten und Flöten.

Die Flöten zählten überhaupt zu den großen Trümpfen des Londoner Orchesters, das seine ganze Klasse, Präzision und die Homogenität seiner Streichergruppen bei Dvořáks „Symphonie aus der neuen Welt“ ausspielte. Ticciati agierte auch hier höchst umsichtig, balancierte Streicher, Holz und Blech perfekt aus und fand genau den richtigen Mittelweg aus zupackender Gestaltung und dem Fließenlassen von Dvořáks Melodien.

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