Alfred Eschwé: Emotionen und lange Melodien

Maestro Alfred Eschwé liebt Oper und Operette.
Maestro Alfred Eschwé liebt Oper und Operette.(c) Volksoper/Kurt Pinter
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Anlässlich der Neuinszenierung der „Zirkusprinzessin“ an der Volksoper: Der Wiener Dirigent Alfred Eschwé über Freude an Avantgarde und leichter Muse.

Alfred Eschwé studiert an der Wiener Volksoper eine der populärsten Operetten der silbernen Ära ein: Emmerich Kálmáns „Zirkusprinzessin“. Das Werk ist bekannt, viel gespielt, wenn auch durchaus heikel, was den Orchesterpart betrifft, plaudert der Maestro aus der Probenschule: „Kálmán instrumentiert sehr dick, er lässt im Klangspektrum – anders als zum Beispiel Puccini – nicht immer ein Loch für die Frequenzen der Sänger. Für die kann das dann problematisch werden.“ Wenn der Dirigent nicht aufpasst: „Man muss da ein wenig reduzieren, auch mit Rücksicht auf die besondere Akustik der Volksoper, damit die Balance zwischen Bühne und Orchester stimmt.“

Im Übrigen, verrät Eschwé, erwartet uns musikalisch „so viel Kálmán wie möglich“ und dank Thomas Enzingers Inszenierung „eine sehr farbenprächtige Produktion, die bestimmt sehr kurzweilig wird“, zumal „unser Herr Direktor, Robert Meyer, höchstpersönlich den Dritten-Akt-Komiker spielen wird, in diesem Fall den Oberkellner Peikan. Er tut es, wie gewohnt, mit viel Intensität, Humor und einigen sehr amüsanten neuen Pointen!“

Ein Faible für die leichte Muse

Die Liebe zur Operette begleitet Alfred Eschwé ein Leben lang. „Es fing schon im Kurorchester an“, bekennt er. Als junger Geiger hat sich der angehende Kapellmeister in Baden sein Geld verdient, „so bin ich früh mit dieser Musik in Kontakt gekommen, und ich muss sagen: Ich möchte diese Badener Jahre nicht missen.“

Zu Beginn seiner Dirigentenkarriere ist er dann zwar „nach Deutschland ausgebüchst“. Dort „hat eigentlich erst die Beschäftigung mit der Oper begonnen. Aber ich mag es nicht, wenn die Operette kleingeredet wird. Das ist in Wahrheit ein äußerst schwieriges, anspruchsvolles Metier; nicht nur für den Dirigenten, sondern nicht zuletzt auch für die Sänger. Da gibt es nämlich kein Herumstehen, da muss man Emotionen zeigen, tanzen können. In der Oper reüssieren hie und da ja doch auch Sänger, die vor allem steif herumstehen . . .“

Eschwé hat freilich auch die „ernste“, die nicht so leicht zugängliche Seite der Musik des 20. Jahrhunderts kennen- und schätzen gelernt. Als Kapellmeister in Kiel hat er Bergs „Wozzeck“ einstudiert, an der Volksoper Stücke von Prokofieff oder Alexander von Zemlinskys „König Kandaules“, in Helsinki leitete er Erstaufführungen von Werken des finnischen Zeitgenossen Aulis Sallinen.
„In solchen Fällen ist man dann nicht nur als Interpret gefordert, sondern auch als Koordinator. Man lernt, wie man Sänger oder Musiker, die aus komplizierten Strukturen ,aussteigen‘, wieder zurückführt.“
Ein Werk wie der „Wozzeck“ fordert viel vom Mann am Pult: „Man ist“, sagt Eschwé, „eine Stunde vierzig Minuten lang ohne Pause am Limit. Dafür erlebt man aber tolle emotionale Höhepunkte!“

Auch unter äußerster Anspannung verlässt den Künstler sein Gefühl nicht: „Beim Tod des Boris Godunow habe ich jedes Mal mit den Tränen gekämpft; und doch weiß man: Du darfst deinen Emotionen jetzt nicht nachgeben.“
Offenbar kommt aber der Genussfaktor während der Arbeit nicht zu kurz: „Wenn ich an der Volksoper die schöne Hans-Gratzer-Inszenierung der ,Traviata‘ dirigiere, denke ich schon manchmal: Man kriegt dafür auch noch bezahlt!“

So ganz „in der Musik aufgegangen“ ist Alfred Eschwé von Kindheit an. Wie er sich heute noch freut, wenn sich eine Lehár-Melodie über 32 oder mehr Takte hin schlingt – „und nicht, wie bei anderen Komponisten, nach acht Takten schon wieder zu Ende ist“ –, hat er schon seine ersten Improvisationsversuche am elterlichen Pianino genossen und war selig, dass er Musik studieren durfte.

Handyklingeln zu Neujahr

Die Balance zwischen „ernstem“ Repertoire – „ich freue mich schon wieder auf große Opernaufgaben“ – und leichter Muse hält er weiterhin aufrecht. Mit den Tonkünstlern bittet er – beginnend im Musikverein am 28. und 29. Dezember sowie am 1. Jänner im Festspielhaus St. Pölten – wieder zu Neujahrskonzerten: „Da bin ich mein eigener Herr, was das Programm anlangt und kann auch Musik von Bartók hereinnehmen, um sie beispielsweise mit Strauß' ,Eljen a magyar!“ zu kombinieren. Außerdem präsentieren wir heuer ein Auftragswerk: eine Polka, die aus den Klingeltönen diverser Mobiltelefone komponiert ist. Da dürfen dann alle mitspielen!“

Premiere: „Die Zirkusprinzessin“, Volksoper am 9. 12.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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