Beethovens gefährlicher Weg zur Freiheit

Die Symphoniker und Philippe Jordan setzten ihren Symphonienzyklus mit der brisanten Fünften fort.

Dass die B-Dur-Symphonie eine Art von lyrischem Zwischenspiel zwischen der „Eroica“ und der „Schicksalssymphonie“ sei, ist ein Märchen. Das wissen seit Mittwochabend alle Abonnenten der „Großen Symphonie“ im Wiener Musikverein genau. Philippe Jordan und seine Symphoniker widmeten sich im Rahmen ihrer zyklischen Gesamtaufführung der Beethoven-Symphonien den Nummern vier und fünf – und da war schon vor der Pause kaum Zeit, Atem zu holen.

Jordans Zugang zu Beethovens Symphonik ist höchst brisant. Schon die langsame Einleitung der Vierten ist, im Gegensatz zur Aufführungstradition, dank rhetorisch differenzierter Phrasierung durchpulst, lebendig, wenn auch noch zurückgehalten – nichts von der Winter- oder Schreckstarre, aus der sich dann das „Allegro vivace“ löst. Die Explosion des Tempos, eine von Beethovens aufregendsten Effekten, kündigt sich bei Jordan schon wie durch Vorbeben an; wie überhaupt seine interpretatorischen Konzepte sich in schlüssiger Dramaturgie über alle Sätze einer Symphonie hin entfalten.

Die quasi theatralische Gesamtstruktur einer Symphonie in mehreren „Akten“ ist für die Fünfte – hier entfesselt Beethoven den besagten „Übergangszauber“ zwischen Scherzo und Finale – als übergreifender „Per aspera ad astra“-Prozess längst sprichwörtlich geworden. Sie beherrscht bei diesem Komponisten selbstverständlich jedes groß angelegte Werk. Das zu verdeutlichen ist nicht das geringste Verdienst Jordans, der einer integralen Wiedergabe der neun Symphonien auf solche Weise höheren Sinn verleiht.

Das Publikum feiert wohl nicht zuletzt die dramatische Dichte und Stringenz des Spiels der Symphoniker mit tosendem Applaus – beides, das Engagement der Musiker wie des Publikums, darf im Alltagsleben unserer Konzertabonnements als außerordentlich gelten.

Dem trägt die ebenso außerordentliche Tatsache Rechnung, dass die Symphoniker nach Wiener „Heimspielen“ plötzlich Zugaben gewähren: War es nach den Symphonien 1 und 3 die „Prometheus“-Ouvertüre, so folgte dem glühenden Revolutionsfinale der Fünften „Egmonts“ nicht minder zündender Siegesmarsch – triumphale Töne . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2017)

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