Postma und Stiehl: „La Wally ist wie meine Mutter“

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Sängerin Kari Postma und Regisseur Aron Stiehl über die Schönheit der Dunkelheit und des Wahnsinns – und das Singen in der Badewanne.

Er wollte Pfarrer werden, sie Jazzsängerin. Kari Postma singt „La Wally“ in der Volksoper, Aron Stiehl inszeniert und will lieber innere Welten zeigen als Lawinen und Geier, die in dieser Geschichte einer unglücklichen Liebe auch vorkommen. Die Norwegerin Postma marschiert auch gern selbst durchs raue Gebirge. Für den Deutschen Aron Stiehl war die Oper auch eine Art Flucht: „Das Dasein ist so profan. Immer wird nur gefragt: Was nützt mir das? Kunst versucht, dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen. Was sind Gefühle, was ist Endlichkeit – und Unendlichkeit?“ Postma hat schon früh Bekanntschaft mit Musik gemacht, ihre Mutter ist Harfenistin. Stiehl kam durch die Operette zur Oper. Beide Künstler finden Wahnsinn und Tod spannend. „Wir sind alle ein bisschen verrückt“, sagt Postma.

„La Wally“ spielt in Tirol. Die Heldin ist eine unbeugsame Frau, sie heiratet nicht den Mann, den ihr Vater ihr aufzwingen will, und folgt ihrem Geliebten in den Tod. Frau Postma, gibt es in Norwegen Schützen und Machismo – wie in Tirol?
Kari Postma: Ja. Der norwegische Teil meiner Familie kommt aus den Bergen, und dort sind die Umstände ähnlich wie bei „La Wally“ in Sölden. Die Menschen sind sehr zurückhaltend, außer sie trinken, dann fallen sie einander in die Arme, und am nächsten Tag sind sie wieder völlig zurückgezogen. Das ist eine sehr männlich dominierte Gesellschaft. Man geht hinaus ins Freie, fährt mit dem Traktor oder mit dem Schnee-Scooter. Norweger gehen auch gern langlaufen.


Kennen Sie Menschen wie Wally?
Postma: Meine Mutter, Willy Postma. Sie wurde in Holland geboren. Sie war Harfenistin, Solistin, aber sie spielte auch in Orchestern. Sie ist 75 Jahre alt, sie war oft verheiratet, jetzt lebt sie allein in einem Haus in den Bergen in Mittelnorwegen. Sie kann Menschen wegscheuchen, allein mit ihrem Blick. Das Haus liegt an einem See, es ist mit allem ausgestattet, sie fährt mit dem Boot und fängt ihre Fische selbst. Sie geht nackt in den Bergen spazieren und spricht sehr viel vom Tod.


Leiden Sie unter der Dunkelheit im Winter in Norwegen?
Postma: Ich mag die Dunkelheit in meiner Heimat sehr, das ist etwas ganz Spezielles und Wunderbares für mich, aber ich freue mich ebenso an den langen Sommernächten.


Wussten Sie früh, dass Sie Sängerin werden würden?
Postma: Ich habe mit Jazzsingen begonnen. Operngesang hab ich zum Spaß, als Parodie, probiert. Ich stellte aber schnell fest, dass ich Oper mochte, die großen Dramen mit Gesang. Ich bin ans Konservatorium in Oslo gegangen. Debütiert habe ich als Pamina.


Herr Stiehl, haben Sie auch künstlerische Eltern?
Aron Stiehl: Überhaupt nicht. Meine Eltern hatten ein Lebensmittelgeschäft und später einen Kiosk, Trafik würde man in Österreich dazu sagen. Meine Eltern waren entsetzt, als ich begann, in die Oper zu gehen. Sie dachten, Oper, das ist für alte Leute, mit dem Jungen stimmt was nicht. Wahrscheinlich hatten sie recht.


Können Sie ein Instrument spielen oder singen?
Stiehl: Ich habe in Hamburg Musiktheater-Regie studiert. Ich kann Klavier spielen und auch singen, aber mein Gesang ist nur für die Badewanne geeignet, ich singe laut und falsch. Vielleicht bin ich deswegen Opernregisseur geworden.


Welche Musik haben Sie als Kind gemocht?
Stiehl: Meine Eltern sind mit mir in die Operette gegangen. Ich war begeistert. Ich habe alle Rollen im „Zigeneuerbaron“ gesungen, jeden Tag meine „Fledermaus“-Kassette angehört. Meine Eltern haben es bald bereut, dass sie mich in die Operette mitgenommen haben. Aber: Ich fand es toll, dass die Musik zu mir kam.


Opernregisseure werden öfter geteert und gefedert als Schauspielregisseure, weil sie die schönsten Melodramen mit Ironie kaputt machen. Wie gehen Sie mit Verrissen um?
Stiehl: Ich hoffe nicht, dass ich Stücke kaputt mache. Ich versuche herauszuhören, was der Komponist wollte. Ich will Geschichten erzählen, die Leute berühren, zum Lachen und zum Weinen bringen. Regisseure gehen oft zu sehr mit dem Kopf statt mit dem Herzen an Werke heran. Das ist ein großer Fehler, und was herauskommt, ist in der Tat mitunter bescheuert. Die Stücke sind einfach immer stärker als die Regisseure.


So viel Natur in „La Wally“: Wie bringt man das auf die Bühne ?
Stiehl: Wir zeigen innere Welten. Catalani hat netterweise den Geier aus dem Roman „Die Geier-Wally“ von 1873 weggelassen. Aber was macht man mit einer Lawine? Man muss aufpassen, dass die Aufführung nicht unfreiwillig komisch wird. Es gibt ein paar Verfilmungen der „Geier-Wally“, die beste ist jene in Schwarz-Weiß. Ursprünglich geht die Geschichte ja gut aus. Wally und ihr Geliebter kommen vom Berg herunter und haben ein schönes Leben. In der Oper wird Hagenbach, der Mann, den Wally liebt, von einer Lawine in die Tiefe gerissen, und sie springt ihm nach wie Tosca.


Luigi Illica, der Librettist von „La Wally“, hat berühmte Puccini-Libretti geschrieben, auch jenes der „Tosca“. Es war damals wohl Mode, viel Wahnsinn und Sterben, speziell von Frauen, in die einzubauen. Warum?
Postma: Ich liebe das! Wahnsinn und Tod sind sehr nahe an unserem persönlichen Leben. Die Linie zwischen Irrsinn und Normalität ist schmal. Eine meiner Vorfahrinnen ist wahnsinnig geworden, sie liebte einen Mann, der ihre Liebe nicht erwiderte, hat also eine ähnliche Erfahrung gemacht wie Wally.

Tipp

„La Wally“ von Alfredo Catalani, mit Kurt Rydl, Kari Postma, Bernd Valentin, Annely Peebo, Aron Stiehl inszeniert, Marc Piollet dirigiert, ab 25. 3., Volksoper

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