Erika Sunnegardh: Sie ist Liebende!

(c) AP (Bebeto Matthews)
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Debütantin Erika Sunnegardh über ihre Blitzkarriere und
die Liebe einer Shakespeare-Furie, die sich nur durch ihren Mann definieren kann.

So etwas nennt man eine Blitzkarriere. Eineinhalb Jahre nach ihrem Bühnendebüt stand die schwedisch-amerikanische Sopranistin Erika Sunnegardh bereits auf der Bühne der New Yorker Metropolitan Opera. Gewiss, aufmerksame Opernfreunde lasen ihren Namen auch in einer Kleinstrolle, nämlich als Helmwige, in den Festspielaufführungen der „Walküre“ unter Simon Rattle in Aix-en-Provence und im österlichen Salzburg. Aber das war die Ausnahme, die Engagements waren bereits vor dem jähen „Durchbruch“ unterschrieben. In der Regel sang und singt Erika Sunnegardh die großen Partien des „schweren“ Fachs. Gleich zum Einstand gab sie beispielsweise im Opernhaus von Malmö Puccinis „Turandot“.

Bühnendebüt als Turandot


„Ja, das ist vielleicht singulär, dass eine Sängerin gleich als Turandot anfängt, aber für mich“, erzählt die Künstlerin im „Presse“-Gespräch, „war das ideal. Die Rolle ist kurz und hoch. Und außerdem ist diese Turandot nicht ein so komplizierter Charakter wie, sagen wir, die Salome oder eben die Lady Macbeth“. Als Verdis rücksichtslose Karrieristin debütiert Sunnegardh nicht nur in Wien, sondern singt die Partie in der laufenden Spielzeit auch in München und beim Festival von Glyndebourne. Eine „Lady vom Dienst also“ – in einer nicht unbedingt gewinnenden Rolle: „Na ja,“, sagt Sunnegardh, „sympathisch ist die Lady natürlich nicht. Sie agiert brutal, gewalttätig und von blindem Ehrgeiz getrieben. Aber, man muss doch bedenken, niemand kann jemals nur so sein! Das Spannende ist doch, eine solche Frau auch als Liebende zu sehen. Sie liebt ihren Mann. Und sie will mit und durch ihn etwas schaffen, was größer ist als sie beide zusammen. Die beiden haben keine Kinder! Das darf man nicht vergessen, das ist eine Wunde. Sie ist eine unbefriedigte Frau und gebunden, gefesselt und geknebelt durch die Gesellschaft. Sie ist nichts ohne ihren Mann. Sie kann sich nur durch ihren Mann definieren. Sie hat gar keine anderen Wege sich auszudrücken. Wer weiß, was sie selbst machen würde, wenn sie könnte!“

Nun verlangt der Komponist zwar, seine Darsteller mögen in diesem düsteren Stück ausdrücklich auch „hässlich singen“, wenn die Situation es verlangt, und doch freut sich Erika Sunnegardh auf die dreimalige „Macbeth“-Herausforderung in dieser Saison: „Verdi ist immer gut für die Stimme. Viel von der deutschen Musik erfordert natürlich guten Gesang. Aber Verdis Musik macht dich besser singen. Das ist ein interessantes Phänomen.“

Aus dem deutschen Bereich kommt demnächst die Chrysothemis aus Strauss' „Elektra“ auf die Sängerin zu. Zu ihren italienischen Partien gehört unter anderem auch die Tosca, die sie heuer mit Kirill Petrenko in Frankfurt erarbeiten wird, eine Partie, die sie schon des Öfteren in Europa und den USA verkörpert hat, und nach der sie, wie sie erzählt, „mehr außer Atem ist als nach einer Salome.“ Die Prinzessin von Judäa liegt Sunnegardh mehr als die italienische Diva: „Die Salome weiß, was sie will. Tosca reagiert unausgesetzt auf ihre Umwelt.“

Solche Fragen stellt sich Erika Sunnegardh stets, sie analysiert ihre Rollen, will wissen, was hinter Text und Musik steckt. Das ist eine Frage der persönlichen Reife, wie sie selbst meint: „Eine Karriere zu managen ist schwer, wenn man jung ist. Ich habe meine Karriere spät begonnen. Mit 21 habe ich erst zu singen angefangen. Musik war zwar immer da. Die Schweden singen ja gern und viel. Ich habe auch gesungen – im Kirchenchor. Zu Hause. Aber dass das für mich zum Beruf werden könnte, das hat sich erst spät herausgestellt. Für mich hat die Theaterleidenschaft mit dem Tanzen begonnen. Um mein Studium zu finanzieren, habe ich dann viele Jobs gemacht. Da lernt man auch etwas fürs Leben – das kommt mir jetzt bei der Arbeit zugute. Es muss ja nicht nur die Stimme für eine Karriere bereit sein. Der Mensch und die Stimme, die formen den menschlichen Aspekt jeder Rolle. Wer vom Tanz kommt, mag es auch, eine Rolle im wahrsten Sinne des Wortes zu verkörpern.“

Warum das Publikum ins Theater geht


Auf diese Weise, so Sunnegardh, seien „Augen, Ohren, Herz und Hirn, alle Sinne des Zuschauers, zu aktivieren. Sonst könnten die Leute sich ja eine CD auflegen. Aber die gehen ja von zu Hause weg, gehen ins Theater, in dem 200 Menschen damit beschäftigt sind, ein Stück aufzuführen. Dieses LiveErlebnis ist ja die Magie der Oper!“ Und weiter: „Das Publikum kommt ins Theater, weil es etwas braucht. Und es kommt nicht aus dem Konservatorium. Wir dürfen nicht voraussetzen, dass irgendjemand große Vorstudien betreibt, bevor er sich ein Stück ansieht. Die Bedürfnisse dieses Publikums befriedigen zu können, darum geht es. Manchmal spürt man, dass es gelingt“ – die großen Momente, auch für die Ausübenden.

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