Schostakowitschs wohltemperiert-gefährliches Kunst-Wagnis

(C) Salzburger Festspiele/ Silvia Lelli
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Pianist Igor Levit spielte im Mozarteum alle 24 Präludien und Fugen op. 87 und erwies damit seinen singulären Rang.

Einmal, mittendrin, brandete spontan Applaus auf. Das war nach der Des-Dur-Fuge, die ihr elftöniges Thema mit brachialer Fortissimo-Energie durch alle Tonlagen und die Finger des Pianisten in unmenschlicher Geschwindigkeit über die Klaviatur jagt. Ein Geschwindigkeitsrausch, in den Komponist, Pianist und Hörer da verfallen. Er hat Methode, denn Dmitri Schostakowitsch markiert hier einen jener Punkte in seinem ehrgeizigen Zyklus von 24 Präludien und Fugen, an denen auch die harmonische Faktur der Musik an jene Grenzen getrieben wird, die in Komponistenkreisen jener Generation so heftig diskutiert wurde.

Das Opus 87 entstand nach dem Vorbild des „Wohltemperierten Klaviers“ im Bach-Jahr 1950. Und sie sind als Statement zu werten: Innerhalb des von Bach abgesteckten Rahmens ließ sich auch im 20. Jahrhundert noch Musik schreiben, die jegliche emotionelle Botschaft umfassen kann. Eine Ohrfeige ins Gesicht der westlichen Kollegen, die damals gerade aus Schönbergs Zwölfton-Methode ein System zimmerten, innerhalb dessen alle musikalischen Parameter berechenbar werden sollten. Und ein Schlag gegen den Kunst-Anspruch in Schostakowitschs sowjetischer Heimat, wo Musik das Leben im Arbeiter- und Bauernstaat verherrlichen sollte.

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