Wien modern: Wenn der Schleier fällt


Studierende der Wiener Musikuniversität und des Pariser Conservatoire glänzten mit Musik von Dufourt, Aperghis, Schiphorst.

Das Orchester will beginnen, da erhebt sich eine Frau in der dritten Reihe und singt in ausdrucksvollen Melismen. Aha, Arabisch denkt man – immerhin trägt sie Kopftuch und ein langes Überkleid. Wäre die Assoziation dieselbe gewesen, hätte sie westliche Kleidung getragen? Sie verlässt den großen Konzerthaussaal mit Türenknallen, über Lautsprecher hört man, wie sie Stufen emporsteigt, Dirigent und Orchester tuscheln. In der Proszeniumsloge legt sie den Schleier ab, steht plötzlich im Abendkleid da. Noch mehrmals wechselt sie, singend und sprechend, fistelnd und rufend, zwischen diesen Outfits hin und her, erklimmt zum Finale den Orgelbalkon, das Orchester kommentiert und umhüllt die Stimme.

Die Komponistin Iris ter Schiphorst wollte erkunden, welchen Einfluss das Äußere auf unsere Wahrnehmung hat; Helga Utz hat dafür ein Libretto erstellt, das auf altarabischer Dichtung basiert. Ihr gemeinsames Werk „Das Imaginäre nach Lacan“ überraschte bei der Uraufführung nun mit kräftigen Musiktheaterelementen – und teils zupackenden, bildhaften Klängen. Wichtig auch der Schluss: Da streifte die großartige Salome Kammer eine Perücke ab und entlarvte damit beide Figuren als bloße Rollen.

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