Dmitri Hvorostovsky ist tot: Abschied von der virilsten aller Bariton-Stimmen

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Zum Tod von Dmitri Hvorostovsky, der seinen langen Kampf gegen sein Krebsleiden am Mittwoch verlor. Der weltweit gerühmte Sänger aus Krasnojarsk wurde von New York bis Wien für seine prägnanten Charakterdarstellungen von Tschaikowsky bis Verdi bejubelt.

Im Frühjahr 2016 atmete die Musikwelt auf: Dmitri Hvorostovsky war zurück: Der beliebte Bariton hatte seine schwere Erkrankung überwunden und sang wieder – seine Stimme hatte die alte Leuchtkraft, das kraftvolle männliche Timbre mit der unverwechselbaren, im wahrsten Sinne aus voller Brust kommenden Höhe. So schien es. Doch die vier Aufführungen von Verdis „Traviata“ an der Wiener Staatsoper, in denen er an der Seite von Marina Rebeka nochmals den Vater Germont verkörperte, sollten seine letzten sein. Eine neuerliche Chemotherapie und die Hartnäckigkeit des Gehirntumors führten zu Gleichgewichtsstörungen.

Auf der Opernbühne werde er wohl nicht mehr singen können, hieß es. Und bald sollte auch der Konzertsänger Hvorostovsky Geschichte sein. Bei der Sommernachtsgala in Grafenegg erntete er noch einmal den dankbaren Jubel seiner Fan-Gemeinde; doch die geplanten Vorstellungen in der laufenden Staatsopern-Saison musste die Agentur bereits vor Monaten absagen.

Am Mittwoch hat der Künstler in London den langen, zermürbenden Kampf verloren. Mit seiner Frau und den vier Kindern trauert nun die gesamte Musikwelt, sie verliert mit diesem Sänger, der im Oktober noch seinen 55. Geburtstag feiern konnte, eine ihrer prägnantesten Gestalter-Persönlichkeiten.

Höchste Nuancierungskunst

Dmitri Hvorostovsky stammte aus dem sibirischen Krasnojarsk, wo er nach kraftvollem Einstand in der Heavy-Metal-Szene auch seine klassische Ausbildung erhielt und in kleinen Partien die ersten Bühnenauftritte im staatlichen Opernhaus absolvierte. Ein Sieg beim Cardiff Wettbewerb, wo es dem Bariton 1989 gelang, den absoluten Favoriten, Bryn Terfel, auszustechen, ebnete ihm über Nacht alle Wege.

Auf das Debüt als Jeletzky in einer Aufführung von Tschaikowskys „Pique Dame“ in Nizza folgten Engagements in allen bedeutenden Opernhäusern der Welt. Hvorostovsky galt bald in New York und Wien als erste Wahl für alle lyrischen Bariton-Partien im russischen wie im italienischen Repertoire. Tschaikowskys Eugen Onegin erfüllte er mit ebensolcher Noblesse, wie er als Verdis Rigoletto seiner ebenmäßig schönen Stimme alle Nuancen zwischen beißendem Zynismus und seelischer Gebrochenheit abzutrotzen wusste.

Als Liedgestalter reichte das Repertoire des Baritons von teils melancholisch verhaltenen, teils dramatisch aufgewühlten Rachmaninow-Romanzen bis zu packenden Darstellungen der spröd-tiefgründigen Michelangelo-Sonette Dmitri Schostakowitschs, von der neapolitanischen Kanzone zur „Aria antica“ – Grenzen kannte dieser Stilist von allerhöchstem Rang nicht.

In Wien stellte sich Dmitri Hvorostovsky im Musikverein mit einem für ihn typischen Programm vor, das von Henry Purcell bis zu einem für diese Stadt vollkommen neuen Zyklus von Georgi Swiridow führte. An der Staatsoper debütierte er im Mai 1994 in Bellinis „Puritani“ und sang dann bis zum Abschied in der „Traviata“-Vorstellung am 29. November des Vorjahres insgesamt 72 Abende in zehn verschiedenen Rollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)

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