Belcantofest im Haus am Ring

Venera Gimadieva
Venera Gimadieva Staatsoper/Ashley Taylor
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Die Staatsoper spielt Bellinis „Puritani“ auf exquisitem Niveau. Zu verdanken haben wir das zu einem nicht geringen Teil Maestro Evelino Pidò.

Die Zeiten, in denen die Musik der italienischen Frühromantik hierzulande ein Mauerblümchendasein führen musste, sind offenbar endgültig vorbei. Zu verdanken haben wir das zu einem nicht geringen Teil den Aktivitäten von Maestro Evelino Pidò, der das Belcantorepertoire mit einer Hingabe und einem Elan pflegt, der Seinesgleichen im Wiener Musikbetrieb kaum je hatte.

Unter Pidòs Führung spielen die Bratschen manche Füllharmonien mit einer Klangschönheit, als ginge es darum, das Quartett aus Beethovens „Fidelio“ einzubegleiten, die rasanten Violin- und Holbläserpartien perlen und funkeln, die rhythmischen Akzente setzt man mit Verve, vor allem aber in vollkommener Harmonie mit den Freizügigkeiten der Sänger.

Hohe Schule des Belcanto

Genau darauf kommt es ja an: Der Schöngesang, in dessen Linienführung sich jegliche Seelenstimmung der handelnden Personen verströmen soll und der dem ganzen Stil von Rossini bis Donizetti seinen Namen gibt, ist die Hauptsache. Und doch spiegeln sich, wie man derzeit im Haus am Ring hören kann, die vokalen Ausdruckwerte auch in vielen orchestralen Ornamenten und Gegenstimmen.
Die belebt zu haben, bildet die Grundlage für den Erfolg jeglicher Belcanto-Oper, und derzeit gerade aufs eindrucksvollste Bellinis „Puritanern“: wobei etliche Rollen- und Hausdebüts die 63. Aufführung der praktikablen, die düstere Stimmung der englischen Revolutionswirren bebildernden Inszenierung John Dews veredelten.
Die Russin Venera Gimadieva stellte sich dem Wiener Publikum als Elvira vor und bezauberte regelrecht durch einfühlsamen Gesang, der alle Sicherheit und Virtuosität in Koloratur und Passagenwerk in Ausdruck umzumünzen weiß. Mag sein, man vermisst an dem Sopran das gewisse Etwas im Timbre. Das ungewissehat Gimadieva schon, und das ist in diesem Fall, der die geplagte, verlassene Braut zwischen Realität und Wahn hin und her schwanken lässt, vielleicht noch wichtiger: Die changierenden Gefühlswerte bringt sie jedenfalls ungeheuer farbenreich zum Klingen.

puritani
puritaniStaatsoper/Ashley Taylor

Jenseits des Hohen Cs

Und wenn die Wiederbegegnung mit dem Geliebten, von den Bläsern feurig angefacht, die jauchzenden Stimmen in höchste Höhen treibt, dann ist das Belcanto-Glück vollständig, denn der Arturo von Dmitry Korchak vermag seinen hellen Tenor geschmeidig und bruchlos weit übers C hinaus zu führen. Von der selbstvergessenen Troubadour-Kanone, die er mit leuchtender Tongebung phrasiert bis zur kraftvollen Attacke des mutigen politischen Kämpen stehen ihm sämtliche Parameter zu Gebote, die ein Bellini-Interpret braucht.
Die weichen, edel phrasierten Bögen, die Jongmin Park ihm als treu sorgender Onkel Elviras entgegensetzen kann, erfreuen ebenso wie Adam Plachetkas durchaus zuweilen beißende Bariton-Einwürfe: dieser enttäuschte Liebhaber scheint von Hass und Rachsucht zerfressen zu sein, offenbart aber angesichts der klagenden Elvira im Mittelakt doch auch ein weiches Herz.

Adam Plachetka und Leonardo Navarro
Adam Plachetka und Leonardo Navarro Staatsoper/Ashley Taylor

Premieren-Niveau im Alltag

Eindimensional gerät an diesem großen Belcanto-Abend nichts. Auch nicht die Leistungen der weniger geforderten Protagonisten, Ryan Speedo Greens Lord Valton tönt rechtschaffen großspurig, Leonard Navarros Sir Bruno Roberton gibt die Stichworte als prägnanter Charakter und Ilseyar Khayrullova lässt mit sattem Mezzo keinen Zweifel daran, dass die Gefangene, die ihr Inkognito wahren muss, von königlichem Geblüt ist. Auch der Chor ist kommentierend und agitierend, je nachdem, ganz bei der Sache. Dergleichen schaffen andere Häuser wohl im besten Fall anlässlich einer wohlvorbereiteten Premiere. In widerfährt Bellini mitten im Repertoirebetrieb Gerechtigkeit. Zwei Gelegenheiten gibt es noch, das live mitzuerleben: am 7. und am 10. Jänner.

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