Maya Boog: „Der Danilo ist ein Hallodri!“

„Schlaues Mädchen“. Das sagt die Schweizerin Maya Boog über die lustige Witwe in Baden.
„Schlaues Mädchen“. Das sagt die Schweizerin Maya Boog über die lustige Witwe in Baden.(c) Lukas Beck
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Maya Boog über die Zukunft Hanna Glawaris und ihres Galans. Wie kam es zum Welterfolg „Die lustige Witwe“?

Musik und Sport waren immer meine Hauptinteressen“, sagt Maya Boog. Die Schweizerin wird heuer Lehárs lustige Witwe, Hanna Glawari, in der Badener Sommerarena singen. Boog stammt aus einer Musikerfamilie, beide Eltern waren Sänger, was sie aber nicht lang ausübten, weil die Mutter drei Kinder bekam und der Vater Geld verdienen musste. Er hat die Musikabteilung eines Gymnasiums aufgebaut und war Chorleiter, wie auch die Schwester der Mutter: „Sie hatte einen der besten Mädchenchöre in der Schweiz und schon als junger Stöpsel durfte ich da mitsingen. Das war ein Highlight für mich.“ Boog lernte aber auch Klavier und Geige spielen, eine Zeit lang überlegte sie, Geigerin zu werden. Aber der Gesang war dann doch die Lieblingsbeschäftigung: „Als Kind habe ich im Auto ein Lied nach dem anderen geträllert. Meine zwei älteren Brüder hätten mich am liebsten erschlagen.“

„Lippen schweigen“. Boogs Lieblingsohrwurm in der „Lustigen Witwe“ ist „Lippen schweigen“: „Eine zu Herzen gehende Nummer. Ich bin sehr romantisch, ich hab’s aber gern lustig und dramatisch.“ Was ist nun wichtig an der „Lustigen Witwe“? Boog: „Hanna ist ein schlaues Mädchen. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen. Das ist immer eine Gratwanderung. Wie viel zeigt man davon? Sie wird oft glamourös und elegant gespielt. Es ist nicht klar, in welchem Alter sie ist. Sie hat einen reichen Herrn geehelicht, der in der Hochzeitsnacht verstorben ist, vielleicht hat sie ihn überfordert.“ Boog lacht: „Der arme Kerl.“
Werden Hanna Glawari und Danilo ein glückliches Paar? „Ich wünsche es ihnen. Der Danilo ist ein Hallodri. Aber Hanna wird ihn schon zu nehmen wissen. Sie hat Kraft. Er findet eben genau das attraktiv, dass sie ihren eigenen Kopf hat, ihr Leben lebt und ihm nicht vor die Füße fällt. Die beiden bieten einander ganz schön Paroli.“

Dass eine der zentralen Premieren im ersten Jahr der neuen Ära am Badener Stadttheater bzw. der Sommerarena der „Lustigen Witwe“ gilt, nimmt sich aus heutiger Sicht logisch aus: Mit welchem Stück wollte man Farbe bekennen, wenn nicht mit dem zentralen Werk der „silbernen“ Operettenära? Der „Witwe“ kommt im Wiener Repertoire derselbe Stellenwert zu wie der drei Jahrzehnte älteren „Fledermaus“ – im Rückblick auf die „goldenen“ Zeiten. Nur, dass der „Lustigen Witwe“ dieses Schicksal ganz und gar nicht in die Wiege gelegt war.

Im Gegenteil. Die ersten Vorbereitungen des neuen Stücks verhießen eher einen Rohrkrepierer. Die Vorlage war freilich durch einen Glücksgriff gefunden: Librettist Leo Stein fasste ins Regal seines treuen Freundes und Kollegen Carl Lindau, der einer der belesensten Zeitgenossen war und über eine theaterhistorisch reich bestückte Bibliothek herrschte. Dort fand sich als Band Nummer 124 der Reihe „Wiener Theater-Repertoire“ die Übersetzung von Henri Meilhacs „Der Gesandtschaftsattaché“. Meilhac hatte seine Finger bei zwei Opernwelterfolgen im Spiel, „Carmen“ und „Manon“, vor allem aber bei zahllosen der stilbildenden Offenbach-Buffonerien.

Meilhac war auch Mitautor der Vorlage zur „Fledermaus“. Rückwirkend betrachtet dürfte man ihn also als eine Art Zentralsonne der gesamten Operettengeschichte bezeichnen. Wie auch immer: „Der Gesandtschaftsattaché“ wurde zur „Lustigen Witwe“ umgedichtet.

Und es gab auch schon einen Mann, der wie geschaffen dafür schien, dazu die entsprechend wienerische Musik zu liefern. Richard Heuberger war es – nach einigen gescheiterten Versuchen im Opernbereich – mit seinem „Opernball“ gelungen, ein genuin französisches Sujet charmant musikalisch einzuwienern; sein „Komm mit mir ins Chambre séparée“ gilt als unerreichter Hit. Doch der viel beschäftigte Mann, immerhin zu jenen Zeiten auch der Nachfolger Eduard Hanslicks als Chefkritiker der „Neuen Freien Presse“, schien nach dem quirlig-brillanten „Opernball“ ausgebrannt. Die Musik, die er zum ersten Akt der „Witwe“ schuf, plätscherte seicht dahin – was nach dem ersten Durchspielen am Klavier dazu führte, dass ihm Impresario Wilhelm Karczag und der Librettist den Text wieder entzogen.

Viele Zufälle. Es bedurfte aber noch des guten Zuredens eines gemeinsamen Freundes, dass Lehár zum „Witwen“-Auftrag kam: Emil Steininger steckte dem Militärkapellmeister mit den Theaterambitionen die Verse zum „dummen, dummen Reitersmann“ zu, und der schrieb in einer Nacht die Musik darauf. Es war die erste Nummer eines echten Welterfolgs.

Dabei soll Karczag beim Vorspielen von Lehárs Musik nicht begeistert gewesen sein. Es bedurfte noch des Flops einer Operette von Leo Fall, der Druck stieg, die „Witwe“ im Theater an der Wien musste fertig werden. Zum Jahresende 1905 war es so weit, die Inszenierung der „Witwe“ mit Mizzi Günther und Louis Treumann in den Hauptrollen stand und wurde zum rauschenden Erfolg. Nur eine gewichtige Gegenstimme fand sich: Karl Kraus beschied, dieses Stück sei „das Widerwärtigste, was ich je in einem Theater erlebt habe“.

Tipp

Sommerarena Baden. Maya Boog und Reinhard Alessandri sind als Hanna und Danilo in der „Lustigen Witwe“ ab 23. 6. in der Badener Sommerarena zu sehen. Ferner: „Der Bettelstudent“, „Bonnie & Clyde“, www.buehnebaden.at

Mehr Lehár in Bad Ischl: „Das Land des Lächelns“, 14. 7. bis 2. 9., www.leharfestival.at

("Die Presse", Kulturmagazin, 13.04.2018)

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