Bis zum hohen B: Strahlender ägyptischer Zorn

Ausdrucksstark: Anita Rachvelishvili als Amneris (links), hier mit Kristin Lewis als Aida.
Ausdrucksstark: Anita Rachvelishvili als Amneris (links), hier mit Kristin Lewis als Aida.(c) Michael Poehn/Staatsoper
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Staatsoper. Verdis „Aida“ mit der fulminanten Hausdebütantin Anita Rachvelishvili als Amneris: Vokale Leuchtfeuer an einem sängerisch sonst eher im Halbdunkel liegenden Abend.

Wenn es einen zu Musik gewordenen heiligen Zorn gibt, dann ist er derzeit in der Gerichtsszene von „Aida“ zu erleben. Und zwar nicht etwa in den Anklagen, die der Hohepriester Ramphis dem trotzig schweigenden Radamés vorlegt: Diese hat Verdi bewusst in formelhafte Starre gegossen – und beim bemühten Sorin Coliban klingen sie sogar hohler als nötig. Nein, es ist Anita Rachvelishvili, die den Gefühlseruptionen der Amneris solch archetypische Kraft verleihen kann. Wie sie dem altägyptischen Klerus nach dem unausweichlichen Todesurteil für den vergeblich Geliebten ihr Anathema entgegenschleudert und die Rache des Himmels an den Hals wünscht – innerlich lodernd, aber stimmlich ohne das geringste Zittern –, das sucht seinesgleichen in der Verbindung von Ausdrucksgewalt und vokaler Souveränität, von Majestät und Schmerz.

Doch Rachvelishvilis Klasse zeigte sich nicht erst an diesem dramatischen Kulminationspunkt ihrer Partie: Dem ganzen Abend drückte die georgische Mezzosopranistin bei ihrem Staatsoperndebüt den Stempel des Außergewöhnlichen auf. Herrlich etwa, wenn sie mit dem äußerlichen Gehabe vollkommener Langweile sich inmitten ihrer Sklavinnen die Ankunft des Geliebten herbeisehnt – und ihre traumverlorene Kantilene jedes Mal in tadellos zärtlichem Piano auf dem hohen G ansetzt. Denn auch wenn Rachvelishvilis Stimme wie ein Naturereignis wirken mag, ist sie doch technisch bestens gezähmt und durchgebildet. In bruchloser Fülle durch alle Lagen strömt ihr der genau dosierte Klang von dunklem Samt aus der Kehle. Ohne sichtbare Anstrengung, aber mit darstellerischem Furor erhebt sie sich in der letzten Konfrontation mit Radamés zweimal mühelos bis zum strahlenden hohen B.

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