Wiener Festwochen: Roland im arabischen Song Contest

Fidjeri heißt die Musik der Perlenfischer am Golf: Künstler aus Bahrain und den Emiraten singen von den Heldentaten Rolands, klatschen kriegerisch dazu.
Fidjeri heißt die Musik der Perlenfischer am Golf: Künstler aus Bahrain und den Emiraten singen von den Heldentaten Rolands, klatschen kriegerisch dazu.(c) Janto Djassi
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Wael Shawky aus Ägypten lässt das altfranzösische Heldenepos auf Hocharabisch von trommelnden Sängern Bahrains und der Emirate vortragen. Nette Show.

Exotisches war bei den Wiener Festwochen angekündigt: Wael Shawky, ein international gerühmter Künstler aus Alexandria, ließ für eine Stunde Verse des zirka 900 Jahre alten „Rolandsliedes“ auf Arabisch vortragen. 18 Musiker aus der Golfregion entzückten damit am Montag bei der Premiere im Theater an der Wien. Sie beherrschen Fidjeri, den Gesang von Perlenfischern. Ein Chor begleitet klatschend und trommelnd die wechselnden Solisten.

Diese Tradition ist wahrscheinlich so alt wie das altfranzösische Epos. Dessen erste erhaltene Niederschrift stammt von Normannen, nach deren Eroberung Englands. Aber der Stoff handelt von noch älterer Zeit: Im späten achten Jahrhundert machte sich Karl der Große mit fränkischem Heer und Verbündeten auf, Spanien zu rechristianisieren, von den Sarazenen zu befreien. Sein kühnster Recke hieß Roland. Er fiel als Anführer der Nachhut bei Roncevaux einem Hinterhalt zum Opfer (die Angreifer waren wohl Basken, nicht Moslems, aber das ist eine andere Geschichte). Zu spät blies Roland mit seinem Horn Olifant nach Entsatz.

An dem frühen Chanson de geste interessiert Shawky offenbar ein Kulturkampf, der auch gegenwärtig ist. Was liegt also näher, als dieses Epos aus anderer Sicht zu präsentieren. Dieser Wechsel der Perspektive ist so einfach wie spektakulär. Was aber geschieht, wenn sich dennoch mehrere Blickweisen ergeben? (Dazu später.) Es ist dunkel, im Hintergrund erahnt man als Bühnenbild eine Dreidimensionalität andeutende, simpel und bunt gemalte Stadt. Sie steht für das zu erobernde Saragossa und wurde alten Miniaturkarten von Aleppo, Bagdad und Istanbul nachempfunden. Die Künstler treten auf, in prächtigen Gewändern und mit hellen Kopftüchern. Der Morgen graut, das Loblied Kaiser Karls als arabischer Song Contest beginnt. Sieben Jahre habe dieser Krieger bereits in Spanien verbracht, das Land bis zum Meer erobert – „Saragossa hält stand“.

Konsequent aneinander vorbeiblicken

All dies, die Gräuel der Schlachten zwischen Moslems und Christen, die Intrigen innerhalb der Heere, zwischen Roland und dessen Stiefvater Ganelon, werden lustvoll geschildert, doch im Theater setzt bald schon eine seltsame Parallelaktion ein. Die meisten Zuseher, die wahrscheinlich des Hocharabischen nicht mächtig sind, blicken angestrengt auf die deutschen Übertitel über dem Bühnenbild der Stadt, während die Musiker rhythmisieren, singen und ein wenig tanzen. Doch auch sie blicken starr in eine Richtung, in die entgegengesetzte. Wendet man sich diskret um, erkennt man, dass die Vortragenden den arabischen Text von einem Teleprompter ablesen. Man könnte auch sagen, hier gibt es gar keine Begegnung – nicht wegen der vierten Wand, sondern, weil das Publikum und die Darbietenden stets konzentriert aneinander vorbeischauen.

Wenn das gewollt ist, hat Shawky tatsächlich ein mächtiges Zeichen für verweigerten Diskurs geschaffen. Seine Ankündigung, dass das „Rolandslied“ aus arabischer Perspektive gezeigt werde, stimmt außerdem nur für die Sprache. Sonst wird ohne Kontextuierung arabischer Quellen das westliche Epos übernommen. (Es avancierte erst im 19. Jahrhundert zu einem prägenden Urtext französischen Nationalbewusstseins.)

Fazit: Roland an den Golf zu transferieren ist zumindest ein netter Exotismus. Diese Darbietung beeindruckt durch ihren Enthusiasmus. Karl und Konsorten, dem modernen Verständnis ohnehin fremd, rücken in noch größere Ferne, viel weiter weg als bis nach Andalusien oder in den Maghreb, auf die afrikanische Seite. Diese Show könnte genauso gut als Mitternachtseinlage auf einer Nil-Kreuzfahrt geboten werden. Wilde Heldensagen amüsieren die Gäste ein wenig, danach wenden sie sich wieder zufrieden der orientalischen Küche zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2018)

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