Salzburger Festspiele: Hormonstau und Koloraturenfluss

Scharfes Geschütz: Cecilia Bartoli als Isabella, mit Alessandro Corbelli als Taddeo.
Scharfes Geschütz: Cecilia Bartoli als Isabella, mit Alessandro Corbelli als Taddeo.(c) Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus
  • Drucken

Cecilia Bartoli düpiert als gewitzte Italiana in Algeri diesmal den eitlen Mustafà von Ildar Abdrazakov: Komödienkaviar fürs jubelnde Festspielpublikum.

Ein Kamel müsste man sein! So suggeriert es zumindest Étienne Guiols witziger Trickfilm im Scherenschnittstil, in den sich das Schlafzimmerbild von Elvira und Mustafà verwandelt. Dann führte nämlich die Balz, nach kurzem Pro-forma-Einsatz der kalten Schulter, rasch zum erwünschten Erfolg – und man könnte küssen und kopulieren, dass die Palmwedel fliegen. Wenn frau aber einen rechten Esel zum Mann hat, der sich nach einer exotischen, aus algerischer Sicht also: italienischen Dame umsieht, weil sich bei ihm für die Angetraute nur noch Überdruss regt, müssen in der Opera buffa schärfere Geschütze aufgefahren werden als bloß die bemühten Verführungskünste der Gattin, um den Schwerenöter von erträumten Abwegen auf den Pfad ehelicher Tugend zurückzubringen. Ein solches scharfes Geschütz ist Cecilia Bartoli – und sorgt als Isabella in „L'Italiana in Algeri“ nebenbei noch dafür, dass auch der Rest der Männerwelt nach ihrer Pfeife tanzt und die ganze italienische Abordnung inklusive Fußballmannschaft (Philharmonia Chor Wien) aus der Gefangenschaft fliehen kann.

Mustafà – eine Art Mafiaboss

Mit Rossinis Komödie haben die Pfingstfestspiele einen echten Publikumserfolg gelandet, der sich nun im Sommer als willkommenes Satyrspiel in das musikalische Mosaik rund ums Begehren einfügt. Das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier holt das Geschehen in die Gegenwart und spielt auf amüsant-ironische Weise mit alten und neuen Klischees – oder sind es Lebens- und Beziehungswahrheiten? Mustafà ist eine Art Mafiaboss, dessen Gefolgschaft schon einmal übers Schlafzimmerfenster die Unterhaltungselektrogeräte ins Haus wuchten muss, die irgendwo „von einem Lastwagen gefallen“ sind. Weil dieser wamperte Bilderbuchmacho meist im Feinripp über die Bühne gockelt, werden ihn so manch schwitzende Herren im Publikum beneidet haben, nicht aber wegen seines Schicksals: Den zweiten Frühling durch eine so gewitzte, begehrenswerte Frau ausgebremst zu bekommen, wünscht man nicht einmal seinen Feinden – oder doch? Am Lachen gerade der älteren Semester lässt sich ablesen, wie viele Verhaltensmuster da längst bekannt sind . . .

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.