Volksoper

„Zar und Zimmermann“: Ist die Wiesn-Zeit noch nicht um?

 Klamauk statt Komödien-Feinschliff: Lars Woldt (van Bett), Stefan Cerny (Lord Syndham).
Klamauk statt Komödien-Feinschliff: Lars Woldt (van Bett), Stefan Cerny (Lord Syndham). (c) Palffy / Volksoper
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In der Volksoper beweist Regisseur Hinrich Horstkotte anhand von Lortzings einstigem Dauerbrenner „Zar und Zimmermann“, wie schwer es ist, feinen Witz auf die Bühne zu bringen.

An der Volksoper ist nun der Bär los. Über drei lange Stunden wird gefährlich wie gefährdend der Holzhammer geschwungen, kein Klischee ausgelassen – lustig, heißa, hopsasa –, da wird verblödelt, was verblödelt werden kann. Operation gelungen, Patient tot. Prominente Opfer: Gustav Albert Lortzing und sein „Zar und Zimmermann“.

Allrounder Hinrich Horstkotte, Ausstatter und Regisseur, veranstaltet ein Flächenbombardement mit Klamauk. Mag ja sein, dass diese Form der deutschen Spieloper heute nicht mehr eins zu eins auf die Bühne zu stellen ist, da das gute, alte Regiehandwerk weitgehend abhanden gekommen ist. Warum nicht Lortzings Melange aus Biedersinn und Banalität in ein ironisches Comic-Gewand stecken? Nur müsste zumindest einer der skurrilen Überzeichnung widerstehen. Horstkotte widersteht nicht.

Nur die Lehrbuben tanzen charmant

Dass Bürgermeister van Bett ein aufgeblasener Kasperl ist, sollte bekannt sein – damit es aber auch die Einfältigsten mitbekommen, wird nun seine überdimensionierte Pluderhose mit einem Blasebalg vom Campingplatz aufgepumpt. Zitronengelbe Perücken und holländische Clogs gut und schön, nur zu Tode zitiert verpufft auch ihre Wirkung. Und dass die Bürgerversammlung einer Party im Altersheim ähnelt, ist so geschmacklos wie peinlich. Über Mühen und Beschwernisse betagter Menschen macht man sich nicht lustig. Wie gut funktionierte dagegen im Umkehrschluss der Tanz der Lehrbuben in Bohdana Szivacz' charmant ungekünstelter Kinder-Choreografie.

Gespielt wird auf einem fantasielosen Einheitsschauplatz: Türen auf, Türen zu (Hauptsache, es lärmt unanständig). Im blau-weißen Badezimmer (anstelle der Werft in Saardam) heißt die Maxime Oberflächlichkeit mit frecher Berliner Schnauze.

Dieser (Un-)Geist sollte auch auf das musikalische Niveau des Unternehmens drücken. Christof Prick, der erfahrene Kapellmeister, kann Lortzings Wunschkonzert-Melodien zur Geltung bringen. Orchestrale Feinarbeit hörte sich aber wahrlich anders an. Auch dem Chor hätten ein paar Abstimmungsproben nicht schlecht getan, während der Besetzungszettel Prominentes versprach. Lars Woldt könnte ein wahrer Prachtkerl von Bürgermeister van Bett sein, ein dümmliches Schlitzohr aus Fleisch und Blut, wäre er nicht zu dodelhaftem Auftreten verdammt.

Daniel Schmutzhard sollte der Shootingstar der Abends werden, wirkt jedoch als Figur recht eindimensional, die Intonation leidet beträchtlich darunter. Oder erlag er der Versuchung, den angestrebten gesellschaftlichen Abstieg (Tausch durch Täuschung) von Zar zu Zimmermann durch stimmliche Vergröberung darzustellen?

Auch nahezu alle anderen versuchen sich lautstark bemerkbar zu machen, dennoch fallen Mara Mastalir als überforderte Marie und Carsten Süss als blasser Zimmermannsgeselle Iwanow kaum auf. Auch Parodie sollte zweckentsprechend eingesetzt sein: Der Abschied von einem „Flandrisch Mädchen“ (Ilker Arcayürek als Marquis de Chateauneuf) ist nur desaströs.

War wirklich „früher alles besser“? Oskar Czerwenka ist mit seinem unverwüstlichen van Bett mein Zeuge ebenso wie Bo Skovhus in seiner Glanzzeit als Titelheld. Die Volksoper bewährt sich nun als Lustspiel-Etablissement, statt sich als strebsame Opéra comique zu profilieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2018)

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