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Klassik im Netz: Aufbrüche, Eroberungen und Abschiede

(c) Michael Poehn
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Raritäten entdecken, bei Sternstunden wie der neuen Wiener Berlioz-Produktion dabei sein und mit den Berliner Philharmonikern ungewohnte Romantikluft schnuppern: Die Streaming-Highlights der nächsten Wochen.

Wenn die Trojaner Wien belagern

„Les Troyens“ in der Staatsoper
Zu sehen auf staatsoperlive.com

Einen großen Abend der Wiener Oper fängt der Livestream am 4. November ein: Hector Berlioz' „Les Troyens“ galten zu Lebzeiten des Komponisten als unspielbar und waren hierzulande auch noch nie in mehr als halbherzigen Versuchen zu erleben. Nun aber folgte die Ehrenrettung eines Meisterwerks, das freilich allerhöchste Ansprüche an die Ausführenden stellt. Ein brillantes Sängerteam ohne Schwachstelle, mehrheitlich aus dem Ensemble des Hauses rekrutiert, ein durchschlagskräftiger Chor und ein Orchester, das Belioz' geniales Farbenspiel in allen Facetten schillern lässt, sie vereinigten sich unter der Führung des meisterlichen Dirigenten Alain Altinoglu und erweckten die aus London importierte Inszenierung David McVicars zu aufregendem Bühnenleben. Nicht zuletzt die grandiose Dido von Joyce DiDonato und der unerschrockene tenorale Held Brandon Jovanovich als Äneas sorgten für Jubelstürme im Haus am Ring, an denen bei der Premiere auch die fulminante Monica Bohinec ihren Anteil hatte, die über Nacht für Anna Caterina Antonacci als Kassandra einsprang. Wird sie auch am 4. November zu hören sein, oder wird Antonacci wieder gesundet sein? Auch diese Frage beantwortet der Stream.

Romantische Ballette im Haus am Ring

„Sylvia“, live auf staatsoperlive.com
„Giselle“, live auf staatsoperlive.com und danach on demand auch auf myfidelio.at

Die Streamingplattform der Staatsoper dokumentiert selbstverständlich auch die Ballett-Abende im Haus am Ring. Die Neueinstudirung von Leo Delibes' „Sylvia“ durch Ballettchef Manuel Legris geht am 24. November online. Am Samstagabend bereits ist „Giselle“ zu sehen – auch für Abonnenten von „Fidelio“. Maria Yakovleva in der Titelpartie trifft auf Masayu Kimoto (Herzog Albrecht), Andrey Teterin (Hilarion) und Kiyoka Hashimoto (Myrtha). Über „Fidelio“ können Interessenten dann übrigens länger auf den Mitschnitt zugreifen als auf der hauseigenen Staatsopern-Site.

Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Tenorale Höhenflüge mit Latino-Touch

Juan Diego Flórez sang in Wien.
Zu sehen auf takt1.de

Juan Diego Flórez widmete ein ganzes, umjubeltes Konzert der lateinamerikanischen Popularmusik, mit der er im heimatlichen Peru aufgewachsen ist. Für den Tenor war das ein ganz persönlicher Abend, denn Musik von Komponisten wie Chabuca Granda hörte er schon in früher Jugend, gesungen von seinem Vater. Flórez lernte diese Melodien lieben und brachte sein jüngst für CD eingespieltes Latino-Programm Mitte Oktober ins Konzerthaus. takt1 war live dabei und hat den Stream nun für Abonnenten auf seiner Plattform dauerhaft archiviert. Ein Abend zündender Rhythmen und schmachtender Liebeserklärungen, bei dem auch Wiens Publikum kräftig mittun durfte.

Konzert-Höhepunkte zum Nachhören

Das Onlinearchiv von takt1

Die neue Streamingplattform streamt aus großen Konzerthäusern – und bewahrt die Aufzeichnungen dann im Archiv. Vom Mai 2018 stammt beispielsweise ein Konzert, in dem Philippe Jordan mit seinem Pariser Opernorchester Peter Iljitsch Tschaikowskys populäre „Symphonie pathétique“ mit der Dritten Symphonie koppelt, die Dirigenten nur allzugern aus dem Ruder gerät, hier aber prachtvoll, doch gezügelt aufrauscht. Zu den Coming Events auf takt1 zählt ein Brahms-Konzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Herbert Blomstedt mit Leif Ove Andsnes (15. November), die traditionelle Neunte Beethoven, die die Wiener Symphoniker heuer unter der Leitung ihres designierten Chefdirigenten, Andrés Orozco-Estrada, zum Jahreswechsel im Konzerthaus musizieren und einen Auftritt des Senkrechtstarters Lorenzo Viotti am Pult dieses Orchesters (31. Jänner 2019).

Erinnerungen an den Jahresregenten

Leonard Bernsteins Video-Erbe
Zu sehen auf myfidelio.at

Noch vor seinem Erzkonkurrenten Herbert von Karajan begann Leonard Bernstein konsequent, seine Auftritte filmisch zu dokumentieren. Die pädagogischen Konzerte in New York, bis heute spannend-amüsante Lehrstunden, machten den Anfang. Die Aktivitäten mündeten in eine Serie von Musik-Videos mit den Wiener Philharmonikern: Symphonische Aufnahmen von Mozart und Beethoven bis Sibelius und Mahler stehen auf „Fidelio“ online. Einige der Musikvermitlungs-Programme ebenso, eines davon fragt: „Wer war Gustav Mahler?“. Die schönste Antwort gibt ein Bernstein-Mitschnitt aus Israel: „Das Lied von der Erde“ mit René Kollo und der unvergleichlichen Christa Ludwig.

Vorbeischauen in der Berliner Philharmonie

Romantik-Rarität mit den Labeques
Zu sehen auf digitalconcerthall.com

Das Klavierduo Labeque und Semyon Bychkov nahm sich jüngst in der Berliner Philharmonie nebst Glanerts „Weitem Land“ und Dvořáks Siebenter dem selten gespielten Doppelkonzert von Max Bruch an, eine der vielen Raritäten, die auf der Site des Orchesters zu entdecken sind.

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