Mehtas Schmunzeln über Haydns Witz

Wiener Musikverein
Wiener Musikverein(c) Clemens Fabry
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Mit Israel Philharmonic kehrte Zubin Mehta in den Musikverein zurück.

O Freunde, nicht diese Töne! Mit einem instrumentalen Rezitativ ergreift David Radzynski, zuvor ganz kollegialer Prinzipal an der Violine, im Finale von Joseph Haydns Sinfonia concertante Hob I:105 plötzlich das imaginäre Wort. Er setzt sich wirklich durch mit diesem bestimmter werdenden Veto gegen das zuvor vom Orchester präsentierte, eher schwerfällig-pathetische Thema – und umgehend wird es durch eine heitere Alternative ersetzt. Man könnte diesen typisch Haydn'schen Witz direkter erzählen, theatralischer, mehr auf ein herausplatzendes Lachen hin. Zubin Mehta, 82 Jahre alt und nach Chemotherapie mit acht Monaten Zwangspause endlich wieder aufs Podium zurückgekehrt, begnügt sich mit einem wissenden Schmunzeln.

Und er lässt das Israel Philharmonic Orchestra, das so alt wie er ist und das er 2019 nach 50 Jahren als Chefdirigent verlassen wird, in einem aus der Mode gekommenen, ja fast vergessenen Stil Klassik spielen, wie er ihn seinerzeit an der Wiener Musikakademie bei Hans Swarowsky gelernt hat: mit Understatement, ohne musikalisches Gestikulieren, geprägt von heiterer Gelassenheit.

Diskussion mit Orchesterbeteiligung

Für die Solisten aus den Orchesterreihen müsste man die Phrase vom „vernünftigen Gespräch von vier Leuten“ erfinden, wäre sie nicht einst aufs Streichquartett gemünzt worden: Neben Radzynski traten Dudu Carmel mit seinem elegischen und zugleich leichtfüßigen Oboenton, der dem trockenen Humor zugeneigte Fagottist Daniel Mazaki und Emanuele Silvestri mit seinem bis in höchste Lagen sonoren Celloklang. Man konnte gar von einer Podiumsdiskussion mit Publikums-, also Orchesterbeteiligung reden: Wunderbar, wie Haydn einmal die hohen gegen die tiefen Instrumente setzt, dann wieder die Bläser gegen die Streicher.

Contenance wahrten Mehta und Israel Philharmonic auch bei Tschaikowskys „Pathétique“. Weniger durchlebt und durchlitten wirkte das als getreulich referiert – nicht in jedem Moment perfekt, aber mit sattem, dunklem Klang. „Wo immer er sich häuslich niederlassen wird, werden die konzertbesuchenden Backfische einen neuen Schwarm haben“, schrieb kein Geringerer als Gerhard Bronner augenzwinkernd, nachdem er sich 1957 in jenes Dirigentendiplomkonzert mit den Tonkünstlern im Musikverein verirrt hatte, in dem neben dem „waschechten Inder“ auch ein gewisser Claudio Abbado flügge geworden war. Nun feierte das Publikum seinen alten Schwarm Mehta aufs Herzlichste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2018)

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