Idealer Anwalt der Romantik

Christian Thielemann demonstrierte am Pult seiner Dresdner Staatskapelle seinen singulären Rang als Schumann-Interpret.

Den zweiten Abend des Kurzgastspiels der Dresdner Staatskapelle feierte das Wiener Publikum geradezu haltlos. Es war ein besonderer Abend, denn Chefdirigent Thielemann zeigte sich von seiner liebevollsten Seite. Gewiss, er gilt weltweit als unschlagbar in Sachen Wagner und Strauss; doch gibt es ein Metier, in dem er Maßstäbe setzt wie vor ihm zuletzt vielleicht die Generation Wilhelm Furtwänglers. Und das ist deutsche Frühromantik. Mag Thielemann in Sachen Bayreuth keine Konkurrenz zu fürchten haben, in Sachen Weber, Mendelssohn und Schumann gibt es gar keine.

Die Musikfreunde haben zu dieser Musik – oder besser: zur Spieltradition, die in deutschsprachigen Landen bis vor ein, zwei Generationen noch auszumachen war – jegliche Verbindung verloren. In den Aufführungsstatistiken landen die genannten Komponisten weit abgeschlagen hinter den symphonischen Kolossal-Malern vom Format eines Mahler, eines Schostakowitsch. Und die tatsächlich recht zahlreichen Versuche der Originalklang-Generation, sich diesem Repertoire zu nähern, räumen mit sämtlichen Aufführungsgepflogenheiten traditioneller Art gründlich auf; sofern sie sie überhaupt kennen.

Nun kommt Thielemann und studiert, was die Altvordern mit ihrem Mendelssohn, mit ihrem Schumann, ihrem Weber getan haben – und macht sich seinen doch sehr heutigen Reim darauf. Von dicker „altdeutscher“ Klangmassierung ist bei ihm und seinen wohl differenziert aufspielenden Dresdnern keine Rede. Von der Kangsinnlichkeit, die in jeder einzelnen Phrase herrscht, von den dunkel leuchtenden, satten Harmonien der Akkorde hingegen sehr wohl. Was in Webers „Jubelouvertüre“ oder der als Zugabe musizierten „Oberon“-Ouvertüre an hingebungsvoller melodischer Schmiegsamkeit zu hören war, an behutsamer Vorbereitungsarbeit zur Modellierung unmerklicher Übergänge, an stringenter Dramaturgie im Fluss der Tempi, das ging weit über das hinaus, was man an diesen Tugenden heute bei anderen Dirigenten erleben kann.

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