Ist es auch Wahnsinn, hat er doch Melodie

Ophelia, gemalt von John William Waterhouse (1849–1917).
Ophelia, gemalt von John William Waterhouse (1849–1917).De Agostini/Getty Images
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Von Mozart bis Henze singen irre Damen wilde Koloraturen. Eine kleine Mythologie der Wahnsinnsszene in der Oper– aus Anlass der Premiere von „Lucia di Lammermoor“ im Haus am Ring.

Wahnsinnsszene? Lucia! Unter Musikfreunden, Opernkennern zumal, gilt diese Assoziation als die allernatürlichste. Mit seiner Adaption von Walter Scotts Schauerroman über die Mörderin von Lammermoor, die den ungeliebten Bräutigam in der Hochzeitsnacht erdolcht, hatte Gaetano Donizetti 1835 einen Prototyp geschaffen. Wahnsinn war auf der Bühne zwar seit Menschengedenken beheimatet, doch ab sofort hatte er Methode – und Melodie.

Der Primadonnen-Auftritt im dritten Akt von Donizettis „Dramma tragico“ ist zum Inbegriff der Wahnsinnsszene geworden. Es gab ihrer viele vor „Lucia“, es folgten noch mehr danach – aber alle Nachfolgenden mussten sich den Vergleich mit Donizetti gefallen lassen. Oder wären ohne das Vorbild gar nicht erfunden worden.

Aber der Reihe nach.

Verrückte auf der Bühne kannte die Oper von Anbeginn. In der Ära vor dem Belcanto, vor allem um die Mitte des 18. Jahrhunderts stürmte dann manch rasender Roland über die Bretter, die das Barocktheater bedeuteten. Freilich eher als komische Figur, belächelt, als eine Art angsteinflößender Clown. Den Blick auf den Irrsinn als schaurig-abgründige Belustigung, ihn kannte schon die Renaissance. Mancherorts galt es als schick, in den einschlägigen Etablissements die „armen Irren“ zu beobachten.

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