Hans von Bülow: Der Ahnherr von Karajan, Thielemann und Co

Vor 125 Jahren starb Hans von Bülow.
Vor 125 Jahren starb Hans von Bülow.(c) imago/sepp spiegl
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Vor 125 Jahren starb Hans von Bülow. Der wichtigste Interpret Richard Wagners und erste Ehemann von dessen späterer Frau Cosima war der erste „Star-Dirigent“, Ahnherr aller Pultvirtuosen.

Hans von Bülow? Man weiß: Das ist der Mann, dem Richard Wagner die Frau „ausgespannt“ hat. Für den bedeutenden Dirigenten (1830-1894) war Wagner aber auch der Lehrmeister. In jener Ära war es noch üblich, den Takt zu schlagen und auf die Dynamik (Piano, Forte) zu achten. Mit Richard Wagner änderte sich die Auffassung hin zum individuellen, mitschaffenden Interpreten.

Innerhalb eines Musikstücks wurden musikalische Passagen zur Intensivierung des Ausdrucks in unterschiedlichem Tempo interpretiert, um den stimmungsmäßigen Unterschied zu verdeutlichen. Außerdem machte man auf die verschiedenen musikalischen Motive aufmerksam und legte mehr Wert auf dynamische Kontraste.

Als Leiter der Meininger Hofkapelle (1880-85, 50 Musiker) konnte Hans von Bülow seine Anschauungen wie „Erst Künstler, dann Mensch“ und „In der Kunst gibt es keine Bagatelle“ rückhaltlos umsetzen, besaß er doch sämtliche Freiheiten in der Programm- und Probengestaltung.

Erste Voraussetzung seiner Interpretation war die genaue musikalische Analyse der Werke (Bülow: „Lernt erst die Partitur und ihr habt schon die Interpretation“). Er achtete auf genaue Einhaltung der Dynamik, Rhythmik und Phrasierung (z.B. Stricharten der Streicher).

Bülow suchte anhand des Charakters und der Stimmung der Werke eine „unmittelbare Gefühlswirkung“ zu erzielen, dirigierte fast sein gesamtes Repertoire auswendig und hatte dadurch stets Blickkontakt mit seinen Musikern.

So begann das „optische Musizieren“

Nach Wagner war er der Erste, welcher mit expressiven Gesten seine Interpretation auf das Orchester übertrug. Musiker und Beobachter loben, dass man an Bülows Gesichtsausdruck und Bewegungen den jeweiligen Charakter der Werke sofort erkennen konnte. Hans von Bülow leitete sowohl das Zeitalter der musikalischen Interpretation als auch des optischen Musizierens ein.

Beginnend mit seiner „Reise zu Beethoven in 80 Tagen“ entwickelte er auch ein völlig neues Probensystem: Teilproben der einzelnen Instrumentengruppen (Streicher, Bläser), danach Proben mit dem gesamten Orchester. Ergänzend dazu Beethovensche Kammermusik mit den Konzertmeistern und Stimmführern, um das Zusammenspiel zu fördern. Im Konzert genügte nur ein Blick oder Fingerzeig des Dirigenten.

Virtuoser Höhepunkt: die Aufführung der Streichquartett-Fuge op. 133 in chorischer Besetzung, auswendig gespielt! Der gestrenge Eduard Hanslick bemerkte dazu: „Dieses Orchester führt Bülow, als wäre es ein Glöckchen in seiner Hand. Bewunderungswürdige Disziplin hat es in ein großes Instrument verwandelt“.

Von seinen Zeitgenossen hielt Bülow Brahms „für den größten Instrumental-Componisten“, dessen Erste Symphonie er als Beethovens „Zehnte“ bezeichnete. Der Interpret Bülow suchte bei Brahms „das latente Feuer“ und die Leidenschaft hervorzubringen. Als besonderes Kabinettstück an Disziplin musizierte Bülow mit seinem Orchester die beiden Brahms-Klavierkonzerte als Pianist und Dirigent in Personalunion.

Die Zusammenarbeit mit Brahms gipfelte in der Uraufführung der Vierten Symphonie am 25. Oktober 1885 in Meiningen unter Leitung des Komponisten – und in gemeinsamen ausgedehnten Europa-Tourneen (die auch nach Wien führten) – zur internationalen Bestätigung von Hans von Bülows eigenem Resümee: „Unsere Spezialität ist Beethoven und Brahms.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)

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