Nachruf: Iván Eröd, ein musikalischer Romantiker in unseren Tagen

Der Komponist Iván Eröd (1936-2019).
Der Komponist Iván Eröd (1936-2019). (c) APA/HANS PUNZ
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Zum Tod von Iván Eröd, der als Schüler Zoltán Kodálys 1956 aus seiner ungarischen Heimat nach Österreich flüchtete und hier zu einem der gefragtesten Lehrer wurde. Seine Musik empfanden auch konservative Konzertabonnenten stets als höchst eingängig und liebenswert.

Romantik, gradlinige, an Dur und Moll orientierte Texturen – die Musik Iván Eröds stellt man gern in die neo-tonale Ecke der sogenannten Postmoderne. Doch tut man dem Meister der Konstruktivität damit unrecht. Was sanftmütig und geradezu altvertraut klingt, nur mit einigen zeitgemäßen Ingredienzien gewürzt, basiert auf klugen architektonischen Überlegungen: Ivan Eröd war einer der großen Könner unter den Komponisten des angehenden 21. Jahrhunderts. Was er als gefragter Lehrer an junge Kollegen – allen voran etwa Georg Friedrich Haas oder Johannes Maria Staud – weitergab, war ihm selbst notwendige handwerkliche Grundlage.

Von der schönen Neuen Musik

Erst über soliden formalen Entwürfen ließ er seine Fantasie schweifen, die ihn oft ins Märchenhafte, hie und da in grüblerische Tiefen, erstaunlich häufig aber in lichte, duftige Klanggefilde führte. Das machte dem Publikum Eröds Musik schmackhaft. Seine Werke gehörten zu jener Spezies, die Abonnenten nach den ersten Takten aufatmen ließ: doch nicht so ungenießbar, diese zeitgenössische Musik! Und gar nicht unsingbar, wie vieles, was heutzutage hervorgebracht wird. Ivan Eröd war als exzellenter Pianist immer wieder auch Begleiter von Sängern – und viele Jahre lang auch Korrepetitor. In der Ära Herbert von Karajans kam er in dieser Eigenschaft an die Wiener Staatsoper.

Seine kompositorischen Grundlagen hatte er da längst erworben. Die Anfänge seiner Meisterzeit liegen noch in der ungarischen Heimat. Eröd, geboren 1936 in Budapest, geflohen in den Wirren des Volksaufstands von 1956 – und schon eigensinnig ganz er selbst: Er wusste sich seinen Weg zu bahnen, nahm reißaus aus dem Flüchtlingslager, schlug sich nach Wien durch und war bald Student an der Akademie, an der er selbst (nach Jahren in Graz) später aktiv werden sollte.

Die ersten Sporen hatte er sich schon in Budapest verdient. Da hörte er unter anderem Vorlesungen zur ungarischen Volksmusik von Zoltán Kodály, dessen radikale Einsichten den Komponisten Eröd bis ans Lebensende beeinflussen sollten. Magyarisch tönt es immer wieder in seinem Werk, aber nicht im Sinne falsch verstandener „ungarischer Tänze“, sondern in jenem Sinn, den die großen Volksliedforscher seit Béla Bartók diesem Genre gegeben hatten.

Den natürlichen Sinn für vokale Linienführung erwies in Eröd-Aufführungen immer wieder auch des Komponisten Sohn Adrian, der als Opernbariton zum Publikumsliebling wurde und der sich immer wieder mit Freude der Musik seines Vaters widmet; zumal das Familiäre in Eröds Musik häufig mitzuschwingen scheint.

Vom Kenner der prägenden Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts war Iván Eröd – durchaus eigensinnig auch in diesem Sinne – zu einem gemäßigten Modernen geworden, der das Konstruktive, das ihn das Studium der Werke der „Wiener Schule“ gelehrt hatte, aus dem Eff-Eff beherrschte. Die Tonsprache lichtete sich zu höchster Klarheit und Verständlichkeit. Und keiner der jungen Besucher der Kinderoper „Pünktchen und Anton“ nach Erich Kästner an der Wiener Staatsoper hatte Mühe, mit dem ach so neuen Stück vertraut zu werden.

Aus Sprache unmittelbar Musik werden zu lassen, das hatte Ivan Eröd über die Jahre hin gelernt und zuletzt ganz frei und ungehindert entfaltet. Dass auch seine Instrumentalmusik ein Hang zur Melodik, zur fantastischen Melismatik bei klaren harmonischen Verläufen prägte, verlieh auch der Kammermusik und dem symphonischen Schaffen Eingängigkeit. Am 24. Juni starb Ivan Eröd 83-jährig in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2019)

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