Innsbrucker Festwochen: Babylonische Liebesverwirrungen

Rupert Enticknap entwickelt sich als Kronprinz Oronte vom über die Bühne schlurfenden Melancholiker im Königsmantel zum echten Zornbinkerl.
Rupert Enticknap entwickelt sich als Kronprinz Oronte vom über die Bühne schlurfenden Melancholiker im Königsmantel zum echten Zornbinkerl.(c) Rupert Larl
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Pietro Antonio Cestis „La Dori“: Sachdienlich aufgeschlüsselt von Regisseur Stefano Vizioli, heiter gesungen und musiziert unter Ottavio Dantone.

Tu felix Persia nube: Es könnte eine Anspielung auf die sprichwörtliche Heiratspolitik der Habsburger gewesen sein, dass in „La Dori“ die Hochzeit zwischen der nikäischen Prinzessin Dori und dem persischen Kronprinzen Oronte schon in deren Säuglingsalter beschlossen wird – und sich die beiden schließlich bei einer Liebesheirat in die Arme fallen dürfen: Vernunft und Staatsräson, so die Moral von der Geschicht', verwandeln sich in persönliches Glück. Außerdem bekommt Doris Schwester Arsinoe den ägyptischen Thronerben Tolomeo ab, weshalb es sogar Jubel, Trubel, Doppelhochzeit heißt. Nicht einmal ein Bösewicht muss ausgeschaltet werden in dieser halb ernsten, halb komischen Story, die sich der Tiroler Landesfürst Erzherzog Ferdinand Karl 1657 dichten und komponieren ließ, von seinem Hofpoeten Giovanni Filippo Apolloni und seinem Hofkapellmeister Pietro Antonio Cesti, der vor 350 Jahren gestorben ist. Dennoch sind die Figuren zweieinhalb Stunden lang in exemplarisch chaotische Gefühlsstrudel und Gewissenskonflikte hart an der Grenze zur Parodie verstrickt – geheime Identitäten mit Crossdressing sowie mehrere (aufgehobene) Todesurteile inklusive: Am Schauplatz Babylon gibt es statt der biblischen Sprachverwirrung hier ein Liebestohuwabohu vom Feinsten.

Dass diese Innsbrucker Cesti-Wiederentdeckung dennoch so flüssig, unterhaltsam und vergnüglich über die Bühne des Landestheaters gehen konnte, ist Dirigent und Regisseur zu danken. Ottavio Dantone und die Accademia Bizantina zeigen ihr Gespür für diese Barockoper vor der Etablierung der Da-capo-Arie, indem sie Rezitative, Ariosi, einträchtige Duette und Ensembles in dramatischer Wechselrede zwar farblich voneinander absetzen, den zumeist tänzerischen Puls aber immer weiterführen. Nichts wirkt aufgemotzt, alles scheint geschmeidig auseinander hervorzugehen. Im Gedächtnis bleiben nicht zuletzt wunderbare Einschlafszenen: Einmal entschlummert Oronte mit einem immer sanfter abgetönten Sarabandenrhythmus, zweimal Dori, die sogar Verräterisches im Schlaf spricht, muss sie doch lange Zeit und unter Todesverzweiflung ihr Inkognito als Sklave „Alì“ wahren . . .

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