Kann man Pentheus als "prima Mensch" sehen?

Pentheus, der König von Theben, als Held der Demokratie? Übersetzer Kurt Steinmann widerspricht Rasches Deutung.

Er kennt die Sprache der alten Griechen wie nur wenige im deutschsprachigen Raum: Der 74-jährige Schweizer Altphilologe Kurt Steinmann hat vor zwei Jahren eine aufsehenerregende Neu-Übersetzung der „Ilias“ veröffentlicht (in einem bibliophilen Prachtband des Manesse Verlags); er hat schon vor Langem die „Bakchen“ des Euripides übersetzt, und soeben ist seine Neu-Übersetzung von Euripides' Tragödie „Hippolytos“ im Diogenes Verlag erschienen. Was er von Rasches Deutung der „Bakchen“ halte, fragte ihn die „Presse am Sonntag“ – Pentheus, der König von Theben, als Held der Demokratie, der die Frauen in die Wälder lockende Dionysos als (rechter) politischer Verführer, als falscher Gott?


Pentheus, der Ausschließer. Er würde Pentheus auf keinen Fall zum „prima Menschen, der gegen irrationale Massenbewegungen kämpft“, stilisieren, sagt Steinmann – das sei nicht die Art, wie Euripides ihn schildere. „Wäre es so, müsste man sich auch fragen, warum Euripides das Stück nicht ,Pentheus‘ genannt hat? Die Welt ist bei Euripides durchwirkt von beiden Kräften, dem Rationalen und dem Irrationalen, das eine Mal überwiegt das eine, das andere Mal das andere. Ich glaube, das ist heute sehr virulent: Einerseits wird die Rationalität auf die Spitze getrieben, andererseits gibt es die Sehnsucht nach Erlösung im Mysterienkult, die Abwendung von traditionellen Religionen, die Hinwendung zu Splitterparteien, dazu kann man auch die AfD zählen, die Schutz, Wärme, Geborgenheit versprechen.“ Euripides rufe hier gegen die Einseitigkeit auf, zum Ausgleich der Kräfte. Nicht umsonst lasse er Pentheus, den Vertreter reiner Rationalität, grausam scheitern.

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