Daniel Barenboim und die Philharmoniker im Jubiläumskonzert "50 Jahre Großes Festspielhaus". Publikum wollte nicht gleich applaudieren. Vier Solisten waren an der Seite postiert, prächtig anzuschauen wie einst.
„Das war's“, verkündete Daniel Barenboim laut, als das Publikum nach Bruckners „Te Deum“ nicht gleich applaudieren wollte. Hatte der Fortissimo-Schluss nicht genügend inbrünstig oder einfach nicht laut genug geklungen? Wussten alle Mitwirkenden, was sie da gerade verkündet hatten? Und wie viele von ihnen glauben gar daran?
Festmusik für einen Zweckbau
Man wird mir entgegenhalten, jenes Missverhältnis, das da zu erahnen ist, sei ja mittlerweile bei jeder Aufführung eines geistlichen Werks im Konzertsaal zu konstatieren. Stimmt. Also nehmen wir das Stück als profane Festmusik für einen seit 50Jahren ungeliebten Zweckbau. Dann müssen die musikalischen Qualitäten schuld gewesen sein, dass der Funke nicht übersprang.
Vielleicht waren die Hörer auch schon erschöpft vom langen Warten. Vor Bruckner waren die „Notations“ von Pierre Boulez erklungen. Auch nicht überwältigend, dem Riesenaufgebot von Musikern zum Trotz. Eher schon als Menetekel für die Selbstauslöschung der musikalischen Moderne:
Da hat ein Vordenker der Avantgarde aus seinen experimentellen, streng zwölftönigen Klavierskizzen aus den Vierzigerjahren spätimpressionistisch changierende Farbstudien gemacht, eine Instrumentationslehre des 21.Jahrhunderts: So vielschichtig lässt sich Orchesterklang auffächern. So wenig wehtun dann die Dissonanzen!
Die Umbaupause dauerte danach ungefähr so lange wie die musikalischen Werke, die sie umrahmten. Noch ein Menetekel: Bei Festspielen ist die Pause ja mindestens so wichtig wie die Kunstdarbietungen. Schlüssig, sie einmal auch aufs Programm zu setzen und zu „inszenieren“.
Zu Beginn hatten die Wiener Philharmoniker weniger schlüssig, weil in viel zu kleiner Besetzung mit Barenboim Beethovens Viertes Klavierkonzert musiziert. Vor herabgelassenem eisernen Vorhang (was noch einmal die Bläser gegenüber der Streichern begünstigte) war das nicht nur klanglich problematisch, sondern auch, weil weil Barenboim in Personalunion als Pianist und Dirigent Kammermusik machen wollte, wofür wiederum sogar die Micky-Maus-Besetzung zu groß dimensioniert ist. So wackelte und verschob sich manches unziemlich, und man musste schon in der ersten Viertelstunde mit dem Abstrahieren beginnen. Das endete nicht mehr – denn der vollzählig erschienene Staatsopernchor präsentierte sich zuletzt bei Bruckner in so elender Verfassung, dass dem „Te Deum“ jegliche Kraft und Tonschönheit mangelte.
Philharmoniker gegen Staatsopernchor
Jetzt spielten die Philharmoniker in Kompaniestärke auf und errichteten eine massive Klangwand vor den singenden Compagnons. Vier edle Solisten waren an der Seite postiert, auch prächtig anzuschauen wie einst – nur diese Assoziation gemahnte an bessere Zeiten – bei Karajan: Dorothea Röschmann, Elina Garanča, Klaus Florian Vogt und René Pape klingen nicht nur wunderbar, sondern sehen auch so aus. Der Abend wurde schließlich für DVD aufgezeichnet – und ist am 1.August um 11.05Uhr in ORF2 zu sehen. „Das war's“ dann wohl wirklich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2010)