Die Pianistin spielt nur noch mit wenigen Kollegen: in Salzburg u.a. mit Tochter Lyda Chen.
Sie ist alles zugleich: Temperamentsbündel und ruhender Pol, anschmiegsame, geradezu verständnisvoll reagierende Partnerin und doch auch zentrale Klangregisseurin von unbestrittener Autorität. Wenn Martha Argerich auftritt, will sie keine Monologe mehr halten– von Solo-Recitals hat sie sich längst verabschiedet. Die musikalischen Nerven der argentinischen Meisterpianistin kann einzig die fruchtbare Zusammenarbeit mit Kollegen noch reizen: Ausgewählte Dirigenten etwa beim Schumann-Klavierkonzert oder jenem in G-Dur von Ravel sind darunter – und eine Schar spezieller Solisten, mit denen sie wesentliche, immer wieder aber auch rare und entlegene Kammermusik spielt.
Im Vorjahr war es ein unvergesslicher Doppel-Klavier-Abend mit Nelson Freire, dessen Mitschnitt mittlerweile veröffentlicht wurde und auch in jener 25CDs umfassenden Edition mit Live-Aufnahmen enthalten ist, mit der die Deutsche Grammophon „50 Jahre Großes Festspielhaus“ feiert. Heuer sind es zwei ganz unterschiedliche Abende im Mozarteum rund um die Jahresregenten Schumann und Chopin. Und es gehört zum Phänomen Argerich, dass sie alle Musik gleichzeitig mit höchstem künstlerischen Ernst bedenkt und doch auch lässig aus dem Ärmel zu schütteln scheint.
Schostakowitsch: Ein Hauch zu viel Zirkus
Da geben wohlvertraute Mitstreiter wie Mischa Maisky interessante Widerparts ab – bei Debussys Cellosonate etwa, die den Blick zurück in die Musikgeschichte mit rhapsodischen Jazzanklängen verquickt. Maiskys junger Kollege Gautier Capuçon hingegen balancierte gemeinsam mit Argerich bei Schumanns Adagio und Allegro op.70 zwischen Versenkung und Extrovertiertheit – Pole, die auch Schostakowitschs traurig-düsteres, von jüdischer Folklore durchwirktes 2.Klaviertrio bestimmen, bei dem Renaud Capuçon den Violinpart übernahm. Eine fulminante Aufführung, die, legt man höchste Maßstäbe an, auch ein Manko aufwies: Das unerbittliche, fast tonlose Pochen, die grimmig-virtuosen Turbulenzen, all das klang einen Hauch mehr nach Manege als nach jener existenziellen Bedrohung, die zentrales Thema in Schostakowitschs Musik ist.
Der zweite Geiger war Géza Hosszu-Legocky, der zunächst bei Schumanns 1.Violinsonate sprudelnde Leidenschaft offenbarte, um sich dann bei dessen hymnischem Es-Dur-Klavierquintett op.44 allzu ausgiebig in den Kantilenen zu suhlen. Nobler, aber doch auch von mitreißender Musizierlust getrieben, agierten neben der nicht zuletzt machtvolle Bässe beisteuernden Pianistin Renaud Capuçon, Maisky sowie Argerichs Tochter Lyda Chen an der Bratsche. Rhythmische Verve und fulminante Aufschwünge zählten hörbar mehr als letzte Kontrolle der Intonation bei den Streichern – und wurden mit lautstarker Begeisterung quittiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2010)