Jugendorchester: Tschaikowsky mit viel Energie

Jugendorchester Tschaikowsky viel Energie
Jugendorchester Tschaikowsky viel Energie(c) AP (Chris Lee)
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Das 1986 von Claudia Abbado gegründete Jugendorchester gastierte zum wiederholten Mal bei den Festspielen, heuer mit Altmeister Sir Colin Davis am Dirigentenpult, begleitet von Mezzosopran Susan Graham.

Giuseppe Verdi soll auf die Frage, was er denn als sein größtes Werk ansehe, gesagt haben: das Altenheim für Musiker in Mailand. Claudio Abbado könnte in diesem Sinne auf die Frage nach seiner größten Leistung antworten: die Gründung des Gustav Mahler Jugendorchesters. 1986 ins Leben gerufen, ist es längst die Nummer eins in diesem Segment. Die Auswahlverfahren in mittlerweile 25 Städten quer durch Europa sind streng – für die Musikstudenten ein Vorgeschmack auf die knallharte Realität der Probespiele. Als Belohnung winkt eine intensive Arbeit mit Dirigenten der ersten Garde – und Auftritte an den ersten Adressen, so zum Beispiel seit Jahren bei den Salzburger Festspielen.

Bläsersolisten mit hörbarem Spaß am Werk

Für heuer wurde Sir Colin Davis (83) verpflichtet, der mit seinen sechs Jahrzehnten am Dirigentenpult der Großvater der jungen Musiker sein könnte. Welche Energie sich Davis bewahrt hat, war bei Strawinskys eröffnender „Symphonie in drei Sätzen“ allerdings – noch – nicht ganz absehbar. Dieses Werk lebt von seiner prägnanten Rhythmik, und da fehlte der Interpretation dann doch der entscheidende Biss, die letzte Unerbittlichkeit. Wenn die Akkorde nicht mit schneidender Schärfe ins Mark fahren, wirkt besonders der Kopfsatz schaumgebremst.

Was allerdings schon bei Strawinsky deutlich wurde: die hervorragende Qualität der jungen Bläsersolisten, die nicht nur mit technischer Versiertheit, sondern auch mit hörbarem Spaß am Werk waren, auch an exponierten Stellen wie etwa dem Flötensolo in Ravels „Zauberflöte“, Nr. 2 der Shéhérazade-Lieder. Die US-amerikanische Mezzosopranistin Susan Graham stattete den fein gewobenen dreiteiligen Zyklus mit einem kultivierten und wohlklingenden, mitunter allerdings etwas distanziert wirkenden Piano aus.

Fordernder Schostakowitsch-Zyklus

Ungebremste Spielfreude und Energie dann bei Tschaikowskys abschließender vierter Symphonie, bei der Davis und das Orchester alle geforderten Register zogen. Ein ideales Werk für die jungen Musiker, um in die Wucht eines selbst entfesselten Orchestersturms einzutauchen.

Die Konzertsparte der Festspiele zeichnete sich auch heuer durch eine erfreuliche Breite aus, in der das Mahler-Jugendorchester ebenso seinen Platz fand wie die ambitionierte Schostakowitsch-Reihe des Mandelring-Quartetts: Sämtliche 15 Streichquartette an nur zwei Tagen, das fordert nicht nur die Interpreten.

Es bietet aber eine einzigartige Gelegenheit, ein Komponistenleben anhand einer Gattung Revue passieren zu lasen, zumal in einer für Schostakowitsch so wichtigen wie dem Streichquartett.

Einfache Motive brennen sich ins Gehirn

Dass das Mandelring-Quartett einen betont „objektiven“, sachlichen – dabei nie blutleeren – Zugang pflegt, erhöhte die Wirkung noch, gerade bei Werken wie dem Quartett Nr. 11 in f-Moll mit seinen einfachen, kargen Motiven, die sich so richtiggehend ins Gehirn brennen. Jedes dieser Werke erschüttert auf seine eigene Weise. Der Zyklus schenkte dem Publikum also nichts – und beschenkte es dabei doch reichlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2011)

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