Diese Madame Pompadour hat zu wenig Allüren

Diese Madame Pompadour wenig
Diese Madame Pompadour wenig(c) Dapd (Lilli Straus)
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Die Volksoper spielt Leo Falls Operette über die Mätresse Ludwigs XV.: Die Produktion trifft immer wieder mehr oder minder knapp daneben, dennoch wird dem Publikum ein sympathischer Abend geboten.

Lauter, einhelliger Jubel in der Wiener Volksoper: ein veritabler Opernstar in der Hauptrolle inmitten einer guten Besetzung, eine den historischen Rahmen teils ironisch ausdehnende, aber niemals sprengende Bühne, liebevolle Regie, witzige Dialoge und vor allem Leo Falls charmant-schmissige Musik – kann das Operettenherz mehr wollen?

Es kann. Auch wer zu guter Letzt das Haus versöhnt verließ, hatte doch nicht vergessen, dass die Vorstellung zwischendurch mehrmals in Langeweile zu versanden drohte. Dafür ist in erster Linie der Volksopern-Debütant Hinrich Horstkotte als Regisseur und Ausstatter verantwortlich. Gewiss, auf Schritt und Tritt ist zu spüren, dass Horstkotte nicht nur „Madame Pompadour“ an sich, sondern auch deren ganzes Personal liebt, von den Hauptrollen abwärts über die wienerisch quirlige Belotte der Beate Ritter und die genreüblichen Komödianten (Gerhard Ernst, Wolfgang Gratschmaier) bis zum letzten Komparsen – aber so sehr, dass es ein bisserl wehtut.

Überlänge. Das Liebevolle vom Detailverliebten, das stückdienlich Komische vom dramaturgischen Hemmschuh zu unterscheiden fällt ihm immer wieder schwer. Allzu spendabel nämlich reichert Horstkotte die überlang werdenden Dialoge mit Späßen verschiedensten Niveaus an, als hätte das Stück solcher Nachhilfe bedurft mit seinen enorm anspielungsreich-anzüglichen Gesangstexten (Libretto: Rudolph Schanzer und Ernst Welisch) und Falls prächtiger Musik, die zahlreiche Ohrwürmer in raffiniertes Klanggewand kleidet und unter Andreas Schüller insgesamt mit Geschmack, Verve und Hingabe dargeboten wird. So riesig kann die das Bühnenbild beherrschende Statue der Titelgestalt gar nicht sein, dass diese pompöse Pompadour nicht Gefahr liefe, unter Textbergen verschüttet zu werden. Ikonografische Anspielungen hier (François Boucher; als augenzwinkernde Vorwegnahme auch Jacques Louis David), Kalauer dort („der Geliebte dieser Sonnenblende, dieser Marquise“; „Baudelaire, ,Die Blusen des Böhmen‘“) – zu viel, zu viel. Wobei gerade der Wortwitz teils gar nicht zünden will, weil sich die dazu nötige überdrehte Atmosphäre im Publikum nicht einfach anknipsen lässt. Das ist „in der Tat, in der Tat, kurios in höchstem Grad“, könnte man mit dem König von Heinz Zednik anmerken – der übrigens ein Lehrstück darüber abliefert, wie man selbst mittelmäßige Pointen noch so serviert, dass sich das Publikum zerkugelt. Annette Dasch als Pompadour wirkt da vergleichsweise immer wieder überraschend schwerfällig. Natürlich ist es wunderbar, dass sich eine Bayreuther Elsa zur Abwechslung auch für eine Operette voll ins Zeug legt. Das dafür nötige gesangliche Raffinement fehlt ihr jedoch. „Heut' könnt einer sein Glück bei mir machen“ bleibt eine bloße Behauptung ohne jedes erotische Prickeln, denn zwischen den Zeilen ist bei ihr nichts zu vernehmen – und manchmal auch die Zeilen selbst nur mit Mühe, etwa in der berühmten „Joseph“-Nummer, die denn auch vor allem szenisch hervorgehoben werden muss.

Das Hauptproblem ist aber: Die so sympathisch undivenhafte Sängerin erregt zwar Aufmerksamkeit, wird jedoch als noble Marquise nicht glaubhaft, sondern bleibt gleichsam ein Mensch wie du und ich – womit auch der rote Teppich hinfällig ist, den ihr der Komponist schon beim ersten Auftritt ausrollt.


René als Rokoko-Figurine. So gesehen passt Mirko Roschkowski als ihr verhindertes Gspusi René ganz gut zu ihr: Als wandelnde Rokoko-Figurine lässt der höhensichere, jugendlich hell timbrierte Tenor die erfreulichsten Phrasen des Abends hören, doch zeigt er von seiner Statur her dabei eher nur ein wenig Allerwelts-Babyspeck statt den leichten Embonpoint eines Operetten-Bonvivants von Format – ein gravierender Unterschied. Das Standesgefälle zwischen ihm und Boris Pfeifer in der Buffo-Rolle des bürgerlichen Spottdichters Calicot wird insofern stimmlich abgebildet, als dieser eindeutig aus dem Musicalfach kommt – und dadurch leider, der Bühnenpräsenz dieses versierten Darstellers zum Trotz, wie ein Fremdkörper im Ensemble wirkt.

So trifft die Produktion in drei Stunden gleichsam immer wieder mehr oder minder knapp daneben – doch für einen Sieg nach Punkten mag es reichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)

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