Verkehrte Auktion: "Mehr zahlen weniger"

Verkehrte Auktion Mehr zahlen
Verkehrte Auktion Mehr zahlen(c) Clemens Fabry
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Neue Konzepte für denKunstmarkt testet jedes Jahr der Wiener Kunstkommunikator Lorenz Seidler, vulgo "Esel". Beim "Multimart" heißt es heuer: Je mehr Leute ein Werk kaufen, desto weniger kostet es.

Es war der skurrilste Verkaufsstand auf der heurigen „Viennafair“, anarchistischer wäre nur noch gewesen, wenn man die Kunst mitten im Herzen des Wiener Zeitgenossen-Marktplatzes verschenkt hätte. Wobei – 50 Euro sind eigentlich praktisch geschenkt für Arbeiten von Künstlern, die alles andere als völlig unbekannt sind: Die Malereiprofessorin Johanna Kandl war auf diesem seltsamen Stand des Wiener Kunstkommunikators „Esel“ (Lorenz Seidler) ebenso mit einer Arbeit vertreten wie Christian Eisenberger, Siggi Hofer, Alfredo Barsuglia, Sofia Goscinsky, Kamen Stoyanov oder die Gruppe Monochrom.

Insgesamt 21 Künstler steuerten für die Aktion „Multimart“ eigens dafür geschaffene Werke bei, keine klassischen Editionen, so Seidler, sondern kleine Unikatserien. Die Preisentwicklung verhält sich dabei diametral entgegengesetzt zu der, die am Kunstmarkt sonst so üblich ist. Da wird Kunst in der Regel teurer, je mehr Leute sich für sie interessieren, je mehr Erfolg ein Künstler hat. Beim wird sie billiger: „Mehr zahlen weniger“, lautet das Motto.

Jedem sein „Wohnungswitz“. Interessiert sich zum Beispiel nur ein einziger Käufer für den „Wohnungswitz“ von Karikaturist Nicolaus Mahler, müsste er 1000 Euro für einen der „Scheiß“-Grundrisse zahlen, auf denen je drei Zimmer eingezeichnet sind, beschriftet zum Beispiel mit „zu klein“, „zu kalt“, „zu dunkel“ – und draußen ist es auch noch „zu laut“. Ab zwei Käufern kostet eine dieser Tuschezeichnungen dann nur noch 750 Euro, ab vier 500, ab acht 300. Zurzeit, das kann man auf der „Multimart“-Homepage ablesen, steht Mahler bei neun Interessenten, für die er alle Grundrisse zeichnen, nummerieren und signieren wird. Begeistern sich am Ende gar 100 dafür, sinkt der Preis auf 50 Euro, den Mindestpreis.

Das Preis-Schema ist übrigens ganz demokratisch für alle Künstler dasselbe. Möchte man einsteigen, schickt man einfach ein Mail oder SMS und überweist den Fixpreis von 50Euro auf ein Konto, die Differenz zum endgültigen Preis begleicht man erst am Ende dieser Auktion mit umgekehrten Vorzeichen.

Hitler-Wein aus Supermarkt. Ein Risiko? Nein, man kann jederzeit wieder aussteigen und bekommt sein Geld zurück. Oder man kann mit „Limit“ reservieren, also nur dann kaufen, wenn ein Werk am Ende tatsächlich weniger als zum Beispiel 300 Euro kostet. Wöchentlich wird man per E-Mail über den aktuellen Stand am Laufenden gehalten. Am 25.November schließt der „Multimart“ und die endgültigen Preise werden ermittelt.

Drei Angebote kriegt Seidler durchschnittlich pro Tag herein, was sich ab Montag wohl steigern wird, vielleicht sogar zum Rudel-Kauf, wie er hofft. Dann startet nach der Eingangsphase im Internet und dem Auftritt bei der „Viennafair“ die nächste Phase, eine „Ausstellung im Freien“ – die Werke werden in Schaufenstern von Geschäften, Cafés, Galerien auf der Gumpendorfer Straße zu sehen sein. Am meisten Aufsehen werden dabei wohl die zwei Weinflaschen erregen, die Pablo Chieregin aufgetrieben hat (im Schaufenster vom Vintage-Café Phil): Die Etiketten zeigen ein Hitler- und ein Mussolini-Bild, so, wie man sie ganz legal in italienischen Supermärkten kaufen kann, ein klassisches Ready Made also. Interesse für das böse Paar (in individuell gestalteter Holzkiste übrigens) gibt es bisher allerdings noch keines, verrät die Statistik auf der „Multimart“-Homepage.

Derzeitige Spitzenreiterin ist eine wunderschön poetische Arbeit der in Wien lebenden Schweizerin Regula Dettwiller, ein auf Museumskarton affichiertes Pflanzenblatt, das sie mit Laser in ein Ornament verwandelt hat, 16 Käufer gibt es schon, die dafür zur Zeit nur noch 175 Euro dafür zahlen mssten. Ebenfalls vorn dabei ist Aldo Giannotti. Jede Person, die sein Werk kaufen will, wird darin als Zeichnung inkludiert, also porträtiert. Beim Einzahlen auf das Konto kann man gleich ein Porträtfoto dafür mitschicken. Der letzte Käufer bekommt dann ein vollständiges Gruppenbild aller Sammler.

Multimart-Vernissage: Montag, 5.11., 17.30, in der Buchbar Phil, Gumpendorfer Straße 10-12. Führungen: Dienstag, 20.11., 17h, Sonntag, 25.11., 16h, Treffpunkt: Esel-Rezeption im Quartier 21, MQ. http://multimart.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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