Hanakam und Schuller: Fantastische Netzwerke

Markus Hanakam und Roswitha Schuller erweitern mit Witz die Videokunst.

Sie dauern nicht lang, die Videos von Hanakam & Schuller, meist nur einige wenige Minuten. Umso mehr ziehen sie die Betrachter mit ihrer zwischen Science-Fiction und Romantizismus angesiedelten, eigenwillig verfremdeten Stimmung in den Bann. Dazu kommt eine markante Bild- und Formensprache, die zwischen den Arbeiten unsichtbare Fäden spannt und sie dadurch spannend vernetzt. So sind die Akteure meist stumm, die Aufmerksamkeit der Betrachter wird ganz auf ihre Bewegungen gelenkt – langsames Gehen oder das Hantieren mit Objekten, die merkwürdige Apparate und Gerätschaften zitieren, von ihrer Machart und Farbigkeit her betrachtet aber eher wie Spielzeuge anmuten.

Wiederholt tauchen ovale Objekte auf, die vage an Pillen oder Bohnen erinnern, deren Maßstab aber bei Weitem sprengen. Die Handlungsebene der Videos dockt an kulturhistorische Ereignisse an, denen das Staunen oder die Faszination eingeschrieben sind – beispielsweise die Erfindung der Fotografie vor über 150 Jahren, die Weltausstellung in San Francisco 1915 nach dem großen Erdbeben oder die Grand Tour. Im Gegensatz dazu verleiht den Videos auf sprachlicher Ebene ein Voice-over-Monolog, der von einer sonoren Männerstimme gesprochen wird, eine kühle, sachliche Anmutung. Ein extremes, weil verdoppeltes Cinemascope-Format mit dem Maßstab 32:9 ist ein ironisches Augenzwinkern in Richtung Breitwandkino.

Video und Skulpturen, Leben, Liebe und Kunst.
Markus Hanakam und Roswitha Schuller, die sich während des Studiums an der Wiener Angewandten kennengelernt haben und auch privat ein Paar sind, arbeiten seit 2005 zusammen. Von der Skulptur her kommend und geprägt von der Beschäftigung mit Spielstrukturen und Regelwerken, verlagerten sie ihren Arbeitsschwerpunkt in Richtung Video im Sinn eines erweiterten Skulpturbegriffs. Sie sind nicht künstlerisch, sondern auch kuratorisch tätig. Eben macht im Kunstraum Niederösterreich die ursprünglich für Tokio entwickelte Gruppenausstellung „Elastic Video“ Station, die sie unter dem Label „Plinque“ zusammen mit anderen Videokünstlerinnen und -künstlern erarbeitet haben.  


Was heißt es für sie, gemeinsam zu arbeiten?

Hanakam: Wichtig ist, dass wir uns sehr gut ergänzen. Dennoch haben wir oft gegenteilige Meinungen. Das führt dazu, dass man sich wirklich miteinander auseinandersetzen muss.

Schuller: Oft haben wir auch formal ganz verschiedene Ansichten – zum Beispiel, was die unterschiedlichen Layer betrifft: das Visuelle, den Text, die Inhaltlichkeit. Ich hoffe, dass wir nicht in die Falle geraten und immer dieselben Lösungen perpetuieren.

Hanakam: Man muss sich selbst überraschen lassen können. Wir lassen uns da bewusst sehr viel offen. 

Ihre Produktionen wirken perfekt und aufwendig.

Schuller: Es geht uns sehr stark um die Inszenierung. Dennoch haben wir ein Produktionslevel, das verglichen mit der Filmbranche sehr klein ist. Unsere Arbeiten sind durch die Bank Low-Budget-Produktionen, auch was das Team betrifft. Außer uns besteht es nur noch aus einem Tontechniker, einer Schauspielerin und zwei, drei Leuten, die uns helfen.

Hanakam: Für unsere letzte Videoarbeit „Tour“ etwa, die wir in Südfrankreich gedreht haben, hatten wir drei Wochen Zeit zum Drehen, davon stand uns an drei Tagen eine Schauspielerin zur Verfügung. Auf diese Weise entsteht vieles auch sehr spontan.

Schuller: Vieles machen wir selbst. Das ist untypisch, aber es ist unsere Art zu arbeiten. Dabei spielen wir gern mit der Grenzen zur angewandten Kunst und zum Design, was uns auch oft vorgeworfen wird. Ich finde es aber schön, sich von der Diskursschleife zu befreien und an andere Bereiche anzuknüpfen.

Hanakam: Es gibt ungeschriebene Gesetze, die wir mit Freuden überschreiten. Gerade das Konzeptuelle wird in unseren Augen heute oft viel zu ernst genommen. Genau das wollen wir nicht. Der Spaß soll sichtbar sein!

Wie gehen Sie vor, wenn Sie kuratieren?

Hanakam: Wir arbeiten nicht wie klassische Kuratoren, sondern aus dem Drang heraus, Ausstellungen zu machen.

Schuller: Dabei arbeiten wir gern thematisch. So greift „Elastic Video“ die Idee des „Expanded Cinemas“ auf, also des erweiterten Kinos der 1970er-Jahre. „Expanded“ ist ein riesiges Feld. „Elastic“ ist präziser: Es meint das Video als Band, das die Arbeiten zusammenhält.

Was bedeutet Video für sie?

Schuller: Wir versuchen uns vom Medium zu befreien. Das Medium soll nicht dominant sein. Unsere letzten Filme sind alle mit einer Spiegelreflexkamera entstanden. Es geht ja nicht darum, Kinofilme zu machen, sondern Qualität zu erreichen.

Hanakam: Mittlerweile werden aber auch die Profikameras günstiger. Wenn wir diese Technik einmal bemühen, dann nur, um das Medium unsichtbar zu machen. Das unterscheidet uns von Medienkünstlern. Wir sind da mehr Bildhauer.

Wo steht Video heute?

Schuller: Video ist ein Mittel zum Zweck, um sich in verschiedenen Kunstgattungen auszudrücken. Viel wird auch von der Industrie vorgegeben. Es wäre schön, sich davon abzukoppeln und wieder mehr die Apparaturen dahinter zu beachten. Es ist spannend, ob diese Rückeroberung einer Technik, die durch digitales Arbeiten verloren gegangen ist, stattfinden wird.

TIPP

Elastic Video. Eine Ausstellung des off space agierenden Künstlerkollektivs Plinque, dem Hanakam & Schuller, aber auch Liddy Scheffknecht, Claudia Larcher, Armin B. Wagner angehören, ist bis 16. März 2013 im Kunstraum NÖ zu sehen, Wien 1. Herrengasse 13.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.