Leonardos zweite Mona Lisa in Genf?

Leonardos zweite Mona Lisa
Leonardos zweite Mona Lisa(c)
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Die "Mona Lisa Foundation" in der Schweiz behauptet mit neuen Argumenten, Leonardo da Vinci habe die Gioconda zweimal gemalt. Von Beweisen kann aber keine Rede sein.

Hunderte von Dichtern und von Schriftstellern haben über dieses Weib geschrieben“, schrieb der deutsche Kunsthistoriker Richard Muther und reihte sich gleich ein in die Beschreiber dieses „Weibes“, „das bald verführerisch uns anzulächeln, bald kalt und seelenlos ins Leere zu starren scheint, und niemand hat ihr Lächeln enträtselt, niemand ihre Gedanken gedeutet“.

Viele haben's versucht: Sigmund Freud fand im Gesicht der Mona Lisa, aber auch in anderen Bildern Leonardos, das „selig verzückte Lächeln“, das einst den Mund der Mutter Leonardos „bei ihren Liebkosungen umspielt hatte“. Zu dieser psychoanalytischen Sicht passt die These des Renaissanceforschers Roberto Zapperi: Modell für die (wahrscheinlich zwischen 1503 und 1506 gemalte) Mona Lisa sei eine Geliebte des Giuliano de Medici gewesen, das Bild sollte den gemeinsamen Sohn über den Verlust der Mutter trösten, so müsse man den italienischen Namen des Bildes, „La Gioconda“, als „die Tröstende“ lesen...

Die meisten Forscher erklären dagegen nüchtern: Modell war die florentinische Kaufmannsgattin Lisa del Giocondo, und der deutsche Titel ist ein Rechtschreibfehler: Es müsse „Monna“ heißen, und das sei die Kurzform für die Anrede „Madonna“.

1913 in Isleworth gekauft

Hat Leonardo diese Dame zweimal gemalt? Das rätselhafte Lächeln zweimal, in einem Abstand von circa zehn Jahren? Dafür sollen nun Analysen eines Bildes sprechen, das als „Isleworth Mona Lisa“ bekannt wurde, weil es der Kunsthändler Hugh Blaker 1913 im Londoner Ortsteil Isleworth kaufte. Von wem, das ist nicht bekannt. Auch darüber, wie es von Italien nach England gekommen sein soll, kann man nur spekulieren.

Der US-Sammler Henry F.Pulitzer, der das Bild 1962 kaufte und in die Schweiz brachte, äußerte erstmals die Vermutung, es sei keine der zahlreichen Kopien, sondern von Leonardo selbst. Nach Pulitzers Tod übernahm 2008 ein internationales Konsortium das Bild – und gründete 2011 eine Stiftung, die „Mona Lisa Foundation“, die zum Zweck hat, zu beweisen, dass das Bild ein Original sei. Wohl nicht uneigennützig. So meldeten sich im September 2012, als die „Isleworth Mona Lisa“ in Genf groß präsentiert wurde, etliche Kunsthistoriker mit der naheliegenden Kritik: Die Stiftung sei schlicht an einer Wertsteigerung interessiert.

Womit argumentiert sie? Neuerdings mit der Leinwand, auf der die „Isleworth Mona Lisa“ gemalt wurde (im Gegensatz zum Original, das auf Pappelholz gemalt ist): Sie sei laut 14C-Analysen der ETH Zürich mit 95,4 Prozent Wahrscheinlichkeit aus der Zeit vor 1500. Laut Homepage der Foundation gibt die ETHZ aber einen Zeitraum zwischen 1410 und 1455 an, und das passt schon nicht mehr so gut zu den Lebensdaten Leonardos (1452 bis 1519).

Schon im September präsentiert wurden Pinselstrichstudien, laut denen die beiden Werke vom gleichen Künstler stammen – und zwar von einem, der zumindest teilweise Linkshänder war. Auch Leonardos Technik des Sfumato – durch Übereinanderlegen mehrerer Farb- und Lasurschichten entsteht ein nebliger Effekt – sei auch auf dem älteren Bild ansatzweise zu erkennen. Weitere, auch geometrische „Indizien“ finden sich auf der Homepage monalisa.org. Plausibel scheint das Argument, dass die „Isleworth Mona Lisa“ mit ihrem volleren Gesicht und ihrer glatteren Haut wie eine jüngere Variante der Mona Lisa wirkt – und es ist schwer vorzustellen, dass ein Kopist das Motiv, das er kopieren will, absichtlich verjüngt. Man fragt sich freilich: Wieso sollte Leonardo sein Modell ein zweites Mal in der genau gleichen Körperhaltung porträtiert haben?

Prado-Bild ist von einem Schüler

Nicht zu verwechseln ist die „Isleworth Mona Lisa“ mit einer zweiten „Zwillingsschwester“ der Gioconda, die für gewöhnlich im Prado in Madrid hängt und 2012 eine Zeitlang im Louvre neben dem Original zu sehen war. Dieses Gemälde wird Francesco Melzi, einem Lieblingsschüler Leonardos, zugeschrieben, es zeigt – im Gegensatz zum Original und zur „Isleworth Mona Lisa“ – deutliche Augenbrauen.

Geschichte der Mona Lisa

„La Joconde“ –so die französische Bezeichnung – kam nach der Französischen Revolution aus der Sammlung von Ludwig XIV. in den Louvre. Napoleon „borgte“ sie sich aus, um sie in sein Schlafzimmer zu hängen. 1911 wurde sie von einem Handwerker gestohlen, 1913 kam sie zurück. Im Zweiten Weltkrieg war sie aus Sicherheitsgründen in Schlössern versteckt. 1956 war sie Opfer zweier Attentate, eines mit Säure, eines mit einem Stein. Nach einem umstrittenen Ausflug zu einer Ausstellung in Tokio 1973 wurde sie mit kugelsicherem Panzerglas geschützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2013)

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