Am Karlsplatz, nicht im Graberl: Drahdiwaberl

Karlsplatz nicht Graberl Drahdiwaberl
Karlsplatz nicht Graberl Drahdiwaberl(c) APA (Helmut Fohringer)
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Das Wien-Museum ehrt Stefan Weber mit einer Ausstellung, die Wiener Festwochen baten ihn mit Band auf die Bühne.

Ein alter, von der parkinsonschen Krankheit gebeutelter Mann im Leopardenkostüm, eine rote Perücke über der Glatze, mit Plastikhörnern und Gummiphallus ausgestattet: Nein, würdiger Anblick war das keiner. Aber wenn man Stefan Weber etwas mit Sicherheit bescheinigen kann, dann dieses: Auf Würde hat er nie Wert gelegt. Auf Anstand schon gar nicht. Und so machte er aus seiner 1969 gegründeten Band Drahdiwaberl das unanständigste, obszönste, provokanteste Rockkabarett, das man sich vorstellen konnte, damals in den Siebzigerjahren, als der „Spießer“, der „anständige“, aber „faschistoide“ Bürger, der auf Langhaarige, Drogen etc. mit Sätzen wie „Unterm Hitler hätt's des net 'geben“ reagierte, noch ein funktionierendes Feindbild der Linken war. Als Anderssein noch nicht neoliberaler Mainstream und Revolution noch nicht (nur) ein PR-Slogan war.

An diese Tage erinnert die kleine Ausstellung, die das Wien-Museum ausgerichtet hat: Sie heißt „Blutrausch“, im Gedenken an ein legendäres Sammelalbum, das die Wiener Szene 1979 porträtierte, mitten im Umbruch von altem Rock zu Punk und New Wave. Drahdiwaberl waren damals dabei, danach waren sie, wie die Punks gnadenlos sagten, „Boring Old Farts“. Der kluge Weber, der schon 1970 (!) mit dem Slogan „Ein Grunzer aus dem Graberl – Drahdiwaberl“ geworben hatte, wusste das und schrieb einen Song darüber: Spätestens seit damals verlachte sein Rockkabarett sich selbst genau so wie die diversen Obrigkeiten, mit denen auch Weber leben musste und lebte. 2000 wurde er nach 30 Dienstjahren als AHS-Zeichenlehrer wegen seiner Krankheit pensioniert, 2003 galt ihm ein Gerichtsverfahren wegen „unbefugtem Führens von genehmigungspflichtigen Schusswaffen“ (auf der Bühne natürlich), 2005 erhielt er das Silberne Ehrenzeichen des Landes Wien.

Weltrevolution und Mulatschag

Und immer wieder hieß es: auf zum letzten Konzert! Einmal mehr am Samstag beim Festwochen-Programm „Into The City“ vor der Karlskirche. Da führten zwei als Rocker und Polizist verkleidete Kollegen den (nicht nur von ehemaligen Schülern) umjubelten Bildnerischen Erzieher i.R. über die Bühne. Auf der seine Drahdiwaberl einmal noch alle Register zogen, mit Saft spritzten, mit Kürbissen warfen, Kirche und Kärnten kränkten, Staat und Heer verhöhnten, Sado, Maso und monströse Bäuche vorführten, die Weltrevolution und den Mulatschag ausriefen usw. All das zum altväterlichen Metal-Rock, den Drahdiwaberl seit 44 Jahren spielen. Und, natürlich, selbstironisch: „High sein, frei sein, amoi muass vorbei sein“, hieß es und: „Endstation Museum“. Nicht das schlechteste Ende, oder?

Die Ausstellung im Wien-Museum läuft bis 15. September, der jahrzehntelang vergriffene Sampler „Wiener Blutrausch“ wurde vom Label „Monkey“ in limitierter Stückzahl (500) neu aufgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2013)

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