Was geschah am Sterbebett von Franz West?

'GARTEN DER LUESTE' IM WIENER BELVEDERE
'GARTEN DER LUESTE' IM WIENER BELVEDEREAPA/BELVEDERE WIEN
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Um den künstlerischen Nachlass von Weltkünstler Franz West ist ein Streit zwischen Witwe und Privatstiftung mittlerweile gerichtsanhängig. Erste Verhandlung war am Mittwoch. Doch es gibt weitere Fronten.

So professionell die Karriere von Franz West, Österreichs teuerstem Künstler, in seinen letzten Jahren betrieben worden ist, so chaotisch geht es nach seinem Tod im Sommer 2012 mittlerweile um seinen Nachlass zu. Fast kein großer Player der österreichischen Kunstszene, der nicht an irgendeiner Front irgendwie in den Zwist verstrickt ist. Am Mittwoch dieser Woche fand der erste Termin am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien statt, der Auftakt des Verfahrens der Verlassenschaft nach Franz West gegen die Franz West Privatstiftung.

Die „Verlassenschaft“, also die Familie Wests, seine Frau und zwei Kinder, klagen die kurz vor seinem Tod gegründete Privatstiftung, der West seinen künstlerischen Nachlass, 270 Werke, übertragen hat. Diese Widmung wird angefochten. Begründung: Der 65-Jährige, der an einer durch HepatitisC bedingten Leberzirrhose im Endstadium litt, sei damals, sechs Tage vor seinem Tod, nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Ein Privatgutachten von Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wurde vorgelegt. Die Richterin setzte einen neuen Termin an, ein weiteres Gutachten wurde beauftragt. Weiterverhandelt wird vermutlich im Herbst, gibt Christoph Kerres, Anwalt der Familie, der „Presse“ Auskunft.

Worum geht es hier? Um Kunstmarkt-Geier, die am Bett eines Todkranken die Familie um ihr Erbe betrogen haben? Um eine geldgierige Witwe, die den Willen ihres Gatten, das Werk durch eine Stiftung für die Zukunft zu sichern, nicht akzeptieren will? Auf jeden Fall geht es um viel Geld, der Streitwert soll zehn Millionen Euro betragen.

„Wests Markt liegt nicht in Österreich“

Fragt man Wests Wiener Galeristen, Christian Meyer, der nicht in der Stiftung sitzt, braucht man sich um das Werk und den Ruf Franz Wests allerdings keine Sorgen zu machen. „Sein Ruhm steht unabhängig von diesen Querelen fest. Er war ein Weltkünstler, seine Bedeutung in der Kunstgeschichte werden Kunsthistoriker, andere Künstler und Journalisten entscheiden. Wo Werke verkauft werden und wer davon profitiert, hat damit nichts zu tun. Jetzt muss man erst einmal fünf Jahre warten, bis der Markt sich eingespielt hat. Und dieser Markt wird nicht in Österreich geklärt werden, sondern bei Sotheby's und Christie's.“

Es ist anzunehmen, dass das Wiener Auktionshaus „Im Kinsky“ dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Um nur einen Verdacht anzusprechen, den Szenekenner gleich äußern: Schließlich ist der Wiener Sammler und Anwalt Ernst Ploil, der nicht nur das West'sche Stiftungskonstrukt baute, sondern auch im Vorstand sitzt, auch „Im Kinsky“-Geschäftsführer. Vorstandsvorsitzende allerdings ist Ines Turian, über Jahrzehnte Wests engste Mitarbeiterin und Büroleiterin, einen weiteren Sitz hat Wolfgang Hienert, der langjährige Restaurator Wests. Im Stiftungsbeirat sitzt mit Elan Wingate noch ein enger Mitarbeiter von Wests US-Galerie Gagosian.

Welche persönlichen Vorteile hier gezogen werden könnten, ist Ploil völlig unverständlich, sagt er im Gespräch mit der „Presse“: „Mein Verdienst in der Stiftung geht über einen Spesenersatz nicht hinaus. Turian verdient jetzt ein weit geringeres Gehalt als bei West und führt dennoch den Betrieb weiter. Und Gagosian hat vorher auch nichts anderes gemacht, als er jetzt könnte, nämlich die Kunst Wests vertrieben, er hat ihm das Tor zur Welt geöffnet. Jetzt steht der Betrieb natürlich.“ Es sei ein „völlig unnötiger, blindwütiger Streit“, so Ploil, der anders als Meyer sehr wohl meint: „So etwas kann einem Künstlerruf das Genick brechen.“

Auch sonst steht Meinung gegen Meinung: über Wests Gesundheitszustand. Und seinen Willen, wie mit seinem Werk zu verfahren ist. Eine Stiftung habe West nie geplant, sagt etwa Kerres, in bisher allen anderen Schriften und Testamenten seien Frau und Kinder als Erben vorgesehen gewesen. „Gerade am Sterbebett sollte jemandem nicht etwas zugemutet werden, was eine völlige Veränderung seines bisherigen Lebenswegs darstellt.“ Sehr wohl, so Ploil, habe West mit ihm und anderen über eine Stiftung während eines längeren Zwists mit seiner Frau nicht nur gesprochen, sondern man habe gemeinsam bereits ein Jahr vor seinem Tod begonnen, die Details auszuarbeiten. Es wäre nur noch um den Unterschriftstermin gegangen, der bereits vor seiner Krankenhauseinlieferung vereinbart gewesen sei.

„Kunst soll Erben-Einfluss entzogen sein“

„Klar war“, so Ploil, „die ganze Kunst soll in die Stiftung und dem Einfluss der Erben entzogen werden. Nicht aus Feindseligkeit, sondern der Betrieb sollte weiterlaufen wie bisher.“ Als Begünstigte der Stiftung habe West außerdem die Familie vorgesehen, die ansonsten, in einem am selben Tag unterzeichneten Testament, mehrere Eigentumswohnungen geschenkt bekommen habe. „Dagegen hatte die Witwe nichts einzuwenden. Zumindest bisher“, stellt Ploil fest. Von Künstlern, mit denen West eng befreundet war, hört man, dass alle Seiten Fehler gemacht hätten. In die Stiftung hätten neutralere Personen berufen werden sollen, wie etwa US-Künstler Mike Kelley es getan habe. Die Witwe hätte trotzdem stärker eingebunden gehört. Sie sollte jetzt aber auch stärker die Zukunft des Werks im Auge haben, das durch eine Stiftung gesicherter scheint. Eine einzelne Person könne so ein Erbe nicht verwalten.

Eine Nebenfront in der Causa West-Nachlass ist ein Streit um das „Franz West Archiv“, dessen wissenschaftliche Arbeit West über Bild- und Verwertungsrechte finanziert sah. Nach Wests Tod kam es dort zu Veränderungen, die bisherigen, von West gezahlten Mitarbeiter wurden ausgesperrt, sie rekonstruieren jetzt ein neues Archiv im Auftrag der Privatstiftung. Die Generalsekretärin des Vereins ist Mumok-Kuratorin Eva Badura, Präsident ist der ehemalige Mumok-Direktor Edelbert Köb. Köb wolle nun warten, wie die Klage ausgeht, bis man eine Klärung mit der Stiftung herbeiführt.

Auf einen Blick

Franz West starb am 26. Juli vorigen Jahres an Multiorganversagen. Am 20. Juli ordnete er seinen Nachlass und sein Vermögen neu. West zählt zu den bedeutendsten österreichischen Künstlern der Postmoderne. Und zu den teuersten.

In der Galerie Konzett ist noch bis 24. Mai die Gruppenausstellung „A Tribute to Franz West“ mit Werken von und über West von Kollegen zu sehen. Zur Finissage wird ein Streichtrio Michael Mautners aufgeführt. 24.Mai, 18 Uhr, Spiegelgasse 21, Wien I.

>>> Link: www.kerres.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)

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