Leopold-Museum: „Man muss das entspannt sehen“

 Leopold-Museum, Tobias Natter
Leopold-Museum, Tobias Natter(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Wie kam es zum überraschenden Rücktritt von Tobias Natterals Direktor des Leopold-Museums? Das kann sich am Tag danach dort niemand erklären.

Damit hatte niemand gerechnet bei der „Oscart“-Verleihung im Künstlerhaus Montagabend. Nicht einmal Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der dem für seine Leistungen als Direktor des Leopold-Museums ausgezeichneten Tobias Natter gerade die Laudatio hielt. Wenige Minuten später verkündete Natter seinen Rücktritt. „Es spricht Mut und große moralische Integrität daraus“, staunte Schröder. Es staunte Elisabeth Leopold, die nur wenige Minuten davor in Kenntnis gesetzt wurde, über die „feige“ Aktion Natters, die „einen Scherbenhaufen“ hinterlasse und „nichts besser“ mache. Es staunte der kaufmännische Direktor des Leopold-Museums, Peter Weinhäupl, der mutmaßt, Natter müsse einen anderen Job in petto haben. Es staunte Leopold-Vorstandsvorsitzender Helmut Moser vom Kunstministerium, der nach einem konstruktiven Gespräch am Freitag davor von Natters Entscheidung aus der APA erfuhr.

Es staunten wir alle: Wie konnte das geschehen? Seit Wochen schwelte intern ein Streit zwischen Natter und Leopold-Museum-Urgestein Weinhäupl, der im September alle im Museum vor den Kopf stieß, als er sich als Vorstandsvorsitzender einer neuen Privatstiftung outete, die beherbergt, wonach alle Museen gieren: Hauptwerke Gustav Klimts aus Privatbesitz. Und zwar die Sammlung Ursula Ucicky, Witwe des verstorbenen unehelichen Klimt-Sohns Gustav Ucicky, in der NS-Zeit erfolgreicher Filmregisseur. Damals kaufte er Werke seines Vaters an, durch Arisierungen waren sie leicht zu bekommen.

Belastete Gemälde aus der Sammlung

Zumindest zwei der Gemälde gelten als belastet: „Wasserschlangen II“ verkaufte Ucicky vor Stiftungsgründung im Zuge einer Privatrestitution über Sotheby's. Das „Bildnis Gertrud Loew“ aber ging ins Stiftungsvermögen, die Israelische Kultusgemeinde klagte, der 99-jährige Sohn der Dargestellten sei aus Gram darüber vor Kurzem gestorben. Die Stiftung betonte, dass an der Klärung unter Hochdruck gearbeitet wurde und „faire Lösungen“ ein Ziel der Stiftung seien. Dennoch keine gute Presse für das Leopold-Museum, wieder mit Raubkunst in Verbindung gebracht zu werden. Die IKG forderte gestern aus Anlass der neuen Diskussionen sogar die Auflösung des Leopold-Museums und die Aufteilung der Bilder auf andere Museen.

Natter aber nennt vor allem „mögliche Interessenkonflikte und eine Unvereinbarkeit“ von Weinhäupls Funktion als Rücktrittsauslöser. Er könnte hier eine Konkurrenz im Leihverkehr mit Klimt-Werken meinen. Oder die Frage, wo Ucickys Werke in Zukunft ausgestellt werden – weiter im Belvedere, wo etwa „Die Braut“ als Leihgabe hängt? Weinhäupl wird das als Vorsitzender der Klimt-Foundation bestimmen. Doch im Leopold-Museum bestimmen derlei nicht die zwei Direktoren, sondern der Vorstand, der jede Leihgabe, ja sogar jede Rechnung absegnet.

Weinhäupl wie den Vorstandsmitgliedern ist Natters Schritt, gerade zu dem Zeitpunkt, rätselhaft. Der Vorstand hat sich schon vor einem Monat positiv zu Weinhäupls ehrenamtlichen Funktionen geäußert und die Zusammenarbeit mit Natter beschworen. „Man muss das entspannt sehen, weg von der Konkurrenz zwischen den Museen. Das Wichtigste ist doch, dass diese Bilder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Ursula Ucicky hat Österreich damit ein großes Geschenk gemacht“, versteht Weinhäupl Kritik nicht. Man solle froh sein, dass bei den unterdotierten Museen andere Institutionen Geld für Forschung bereitstellen – die Klimt-Foundation ist mit einer Million Euro dotiert. Dafür werde er sich einen wissenschaftlichen Beirat holen, sagt Weinhäupl. Auch der Vorstand soll erweitert werden, der jetzt auch auf Wunsch der Stifterin „relativ familiär“ sei, so Weinhäupl: Neben ihm sitzt seine Lebensgefährtin Sandra Tretter, bis vor Kurzem Kuratorin im Leopold-Museum, im Vorstand. Sie fungiert als Geschäftsführerin, beide auf Lebenszeit. Dritter im Bund ist Weinhäupls Bruder Hubert, Versicherungsberater, der für fünf Jahre bestellt wurde. Begünstigt ist „die Öffentlichkeit“, der Vorstand könne aber weitere Begünstigte festlegen, so die Stiftungsurkunde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2013)

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