„Brüder Schwadron“: Verblassen sie auch in Ihrem Stiegenhaus?

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Weihburggasse 9/2www.projekt-schwadron.at
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Eine Ausstellung in der einstigen Zentrale der Baukeramikhändler Brüder Schwadron am Franz-Josefs-Kai erinnert an ein Stück Wiener Alltagskultur.

Es war ein Blick von der zeitgenössischen Kunst in der Bawag-Contemporary-Galerie – nunmehr Geschichte – hinauf auf die Decke des von „propeller z“ so schick hergerichteten Ausstellungsortes. Dieser Blick fesselte die gerade nach Wien gezogene Berliner Kommunikationswissenschaftlerin Tina Zickler vor einem Jahr derart, dass sie zu forschen begann. Zu sehen ist nämlich eine hier völlig unpassend scheinende, verspielte Deckendekoration aus bunten Keramikfliesen. Sie ist ein zierlich-blasses Überbleibsel dessen, was hier einmal war, vor über 80 Jahren: die Firmenzentrale einer der führenden Keramikhändler Wiens, der Brüder Schwadron, die wohl „ein Fünftel der ganzen Stadt“ verfliest haben müssen, schätzt Zickler.

Es sind die prächtigen, oft verspielt verfliesten Stiegenhäuser, die heute ein Sinnbild des Wiener Jugendstil-Feelings sind. Jeder kennt sie. Kaum jemand weiß, wer sie schuf. Wobei das aus Galizien eingewanderte jüdische Brüderpaar Victor und Adolf gesteigerten Wert auf Wiedererkennung legte: Typisch für ihre Firma sind die Signatur-Fliesen, die wie eine in Pflasterung oder Wandauskleidung eingelassene Visitenkarte Namen und Adresse des Unternehmens nennen. Genau diese Signaturen fielen aber oft baulichen Veränderungen zum Opfer, befanden sie sich doch meist im Eingangsbereich, an dem besonders gern herumgepfuscht wurde und wird. Zicklers Forschungsprojekt „Brüder Schwadron call to mind“, das mittlerweile in eine Ausstellung am Ort ihrer Erweckung mündete, will schließlich auch für mehr Bewusstsein für dieses teils tatsächlich mit Füßen getretene Erbe sorgen.

Die Fliesen in Amalien- und Dianabad

Exemplarische Einblicke in 20 von Schwadron verflieste Zinshäuser haben Zickler und die Fotografin Lisa Rastl jetzt am Franz-Josefs-Kai 3 ausgestellt – inklusive Fotos der Damensauna des Amalienbads, das von 1923 bis 1926 von der Firma generalausgestattet wurde. Man hatte schließlich Erfahrung, 1915 bis 1917 hatten die Schwadrons schon das Dianabad verfliest, mit Unterstützung von Künstlern wie Michael Powolny und Otto Prutscher. Sie statteten auch das Grand Hotel, das Bristol, das Hotel Regina, die Wirtschaftskammer und die Nationalbank aus. Für die Entwürfe arbeiteten sie gern mit Künstlern zusammen, bei Wienerberger oder bei Rako ließ man fertigen, über Katalog wurden die Fliesen, die Brunnenelemente, Vasen, Kachelöfen, Grab- und Gedenksteine vertrieben.

Dass sie ein starker Player am Markt waren, ist ihr mittlerweile klar, sagt Zickler. Ob sie auch Marktführer waren, weniger, das Firmenarchiv ist verloren. 1938 wurde das Unternehmen per Zwangsverkauf arisiert. Einer der Brüder nahm sich das Leben, der andere starb noch in der Nazi-Zeit, schwer drangsaliert mit Mitte 70. Die zwei Söhne und Erben waren da schon in die USA geflohen, zumindest der mittlerweile ebenfalls verstorbene Ernst Schwadron konnte dort als Inneneinrichter weiter arbeiten. Die Geschichte der erfolgreichen Firma seiner Familie ist aber nur spärlich dokumentiert. Umso mehr gilt der Aufruf Zicklers an die Wiener: Bitte Signaturfliesen suchen. Fotografieren. Und mailen.

Ausstellung: Bis 29.1.; 1., Franz-Josefs-Kai 3

Homepage: www.projekt-schwadron.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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