Resitution: Kunstrückgabe neu erst im Herbst

Streit um E. L. Kirchners restituierte
Streit um E. L. Kirchners restituierte "Straßenszene" aus dem Brücke-Museum Berlin 2006.(c) EPA
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Ministerin Schmieds Regierungsvorlage schafft es vor dem Sommer nicht mehr ins Parlament. Regelung für Leopold-Museum könnte Jahre dauern. International wird Restitution kontroversiell diskutiert.

Vor dem Sommer wird die Novelle zum Kunstrückgabe-Gesetz 1998 nicht mehr beschlossen, heißt es im Ministerium. Die Zeit für die parlamentarische Behandlung ist zu knapp. Die Regierungsvorlage aber ist bald fertig. Kulturministerin Claudia Schmied hatte im März Neuerungen bekannt gegeben: So soll das Gesetz künftig nicht nur für Kunst, sondern für alle beweglichen Güter gelten und nicht nur für Bundesmuseen, sondern für das gesamte Bundesvermögen. Der Zeitraum für Restitutionsansprüche wird von 1938-1945 auf 1933-1945 ausgedehnt usw.

Die Vorschläge lesen sich etwas papieren, trotzdem wurden sie von Opfer-Vertretern positiv aufgenommen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Novelle in den kommenden Wochen in Begutachtung schicken können“, meinte Schmied im März. Es sei schon damals klar gewesen, dass sich ein Beschluss nicht ausgehen würde, verlautet jetzt aus dem Ministerium. Man müsse sich mit dem Koalitionspartner ÖVP abstimmen, komplexe juristische Fragen klären.

Immerhin finden die Sitzungen des Rückgabe-Beirates unter dem Vorsitz von Clemens Jabloner, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, öfter statt als bisher. „Es geht voran“, meint Jabloner zur „Presse“. Ein noch offener Punkt sei, dass mehr Ressorts im Kunstrückgabe-Beirat vertreten sein wollen als bisher – vermutlich jene, die vom Passus Bundesvermögen betroffen sind.

Am Freitag tagte der Kunstrückgabe-Beirat und befasste sich mit der Plakatsammlung von Julius Paul aus der Albertina sowie mit dem Gemälde „Der Fischmarkt“ (1885) von Hans Canon (Belvedere, siehe unten).

Leopold im Gutachter-Streit

Auf die lange Bank geschoben scheint die im April heiß diskutierte Frage, ob die Sammlung Leopold dem Kunstrückgabe-Gesetz unterworfen werden soll. Grob gesagt geht es darum, ob die Leopold-Stiftung Bundesbesitz ist oder nicht. In der österreichischen Rechtsordnung ist entschädigungslose Enteignung durch den Staat nicht vorgesehen. Das wäre aber der Fall, wenn der Bund die Leopold-Stiftung verpflichten würde, Bilder, die als Raubkunst eingestuft werden, ohne Bezahlung herauszugeben – soweit die Ansicht der Stiftung.

Das Gutachten, das die Stiftung bei Verfassungsrechtler Theo Öllinger in Auftrag gegeben hat, um zu prüfen, ob es verfassungsrechtlich möglich wäre, die Stiftung dem Kunstrückgabe-Gesetz zu unterwerfen, ist inzwischen fertig. Es verneint diese Möglichkeit. Während ein Gutachten, das die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) beim Verfassungsrechtler Walter Berka in Auftrag gegeben hat, die Möglichkeit bejaht. Ein weiteres Gutachten von Georg Graf bestätigte der IKG, dass elf Werke in der Leopold-Sammlung als Raubkunst einzustufen seien.

Schmied richtete eine interministerielle Kommission ein, die sich mit der Causa Leopold beschäftigen soll. „Ich strebe eine klare Regelung der Restitutionsangelegenheiten der Stiftung Leopold an“, sagte sie im März. Das könnte einige Jahre dauern. Die zwei Provenienzforscher, die der Bund dem Leopold-Museum schickt – und bezahlt – um die dortige Forschung zu objektivieren, beginnen im Juli mit ihrer Arbeit, heißt es im Museum. Aus der Kommission wiederum verlautet, dass man erst die Ergebnisse der Arbeit der neuen Provenienzforscher abwarten müsse, dann erst können Vorschläge entwickelt werden, wie die Leopold-Stiftung mit Ansprüchen umzugehen hätte.

„Die österreichischen Mühlen mahlen langsam“, sagt Restitutionsexpertin Sophie Lillie, die ein Handbuch über die enteigneten Kunstsammlungen Wiens verfasst hat: „Ich habe nichts anderes erwartet als dass sich das alles jetzt wieder länger hinzieht“.

Schmieds Vorschläge seien pragmatisch. Was noch offen sei – und den Opfer-Vertretern äußerst wichtig – ist die „Preisfrage“. Bisher können nur Objekte zurück gegeben werden, die unentgeltlich in Bundesbesitz gekommen sind – aber nicht solche, die zu schlechten Preisen erworben wurden, also unter Ausnutzung der Notlage Vertriebener oder Ermordeter. „Es wäre sehr wichtig, dass auch diese Objekte ins Rückgabe-Gesetz einbezogen werden“, fordert Lillie.

Instanz Rosenthal: Kunst gehört allen

International wird Kunstrückgabe kontroversiell diskutiert – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in England, wo der Gedanke des nationalen Erbes stark verankert ist. „Geschichte ist Geschichte, es ist Zeit zu begreifen, dass wir historische Ereignisse hinter uns lassen müssen“, schrieb der namhafte Kunsthistoriker und Kurator Norman Rosenthal (64) im Frühjahr im „Art Newspaper“: Er habe viele Verwandte während des II. Weltkrieges verloren, er habe die Orte besucht, wo sie verendeten. Seine Eltern seien vertrieben worden.

Aber: „Ich habe absolut nicht den Wunsch, Eigentum zurück zu verlangen, das nie mir persönlich gehörte und für das die Geschichte ein anderes Schicksal bestimmte. Lieber setze ich mein eigenes kreatives Leben fort und sorge, dass es mir und meiner Familie gut geht.“ Könne sich jemand vorstellen, so Rosenthal weiter, dass alle italienische Kunst dieser Welt – mit Hilfe von Anwälten, die damit reich würden – Italien zurück gegeben wird? Könne man sich vorstellen, dass Beethovens Appassionata der Öffentlichkeit entzogen wird und nur mehr für einen privaten Sammler erklingt?

„Kultur, auch visuelle Kultur“, schreibt Rosenthal, „sollte jedermann in der Welt zugänglich sein. Sammler müssen verstehen, dass sie sammeln um Objekte zu konservieren und vor Ignoranz zu bewahren“. Klimts „Adele“ hing glücklich in Wien, dann kam sie in die Neue Galerie in New York, was nicht schlecht sei. Aber es könnte passieren, dass das Gemälde eines Tages aus der Öffentlichkeit verschwindet. Es sei Zeit, dass die Welt es in ihren Kopf bekomme, dass Matisse, Picasso, Botticelli oder Shakespeare niemand Bestimmten gehören, sondern allen. Soweit Rosenthal, u. a. seit 1977 Ausstellungssekretär in der Royal Academy .

EINMAL JA, EINMAL NEIN

Bei seiner jüngsten Sitzung am Freitag empfahl der Kunstrückgabe-Beirat Ministerin Schmied die Plakatsammlung von Julius Paul aus der Albertina den Erben zurückzugeben. Die 3600 Stück umfassende Sammlung wurde dem Museum 1939 übergeben.
Nicht zur Restitution empfohlen wurde „Fischmarkt“ von Hans Canon (1885) aus dem Belvedere. Begründungen der Urteile auf der Homepage des Ministeriums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2008)

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