Ein Pferd für eine Republik: Das Symbol des Waldheim-Streits

Alfred Hrdlicka
Alfred Hrdlicka Die Presse
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Das 1986 von Alfred Hrdlicka skizzierte Holzpferd ist wieder öffentlich zu sehen: Erinnerung an eine wilde zeitgeschichtliche Debatte.

Kein hölzernes Pferd – vom Trojanischen einmal abgesehen – hat politisches Geschehen so direkt verkörpert wie jenes, das am 8. Juli 1986 um 14.30 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz aufgestellt wurde. Es trug eine SA-Kappe und eine SA-Binde und die Inschrift: „Nach einem Gedanken von: Fred Sinowatz; nach einer Idee von: Peter Turrini; kostümiert von: Manfred Deix; nach einem Entwurf von: Alfred Hrdlicka; produziert von der Gruppe Neues Österreich“.

Der 8.Juli 1986 war der Tag, an dem Kurt Waldheim als Bundespräsident inauguriert wurde – nach einem Wahlkampf, der von der Debatte über die Rolle Waldheims im NS-Regime geprägt war. Umstritten war u.a., ob er Mitglied der SA gewesen sei. „Ich war kein Nazi, ich war weder Mitglied der SA noch des NS-Studentenbundes“, erklärte er im „Spiegel“ im April 1986. Worauf der Interviewer einwarf, Waldheim habe selbst 1946 in einem Personalbogen unterschrieben, dass er beim NS-Reiterkorps, einer Unterabteilung der SA, war. Waldheims Antwort: „Ich wollte die Optik wahren. Ein paarmal mitzureiten schien mir kein Malheur, schien mir sogar nützlich.“

Die auch in anderen Versionen tradierte Formulierung Waldheims, er sei „nur mitgeritten“, regte Manfred Deix zu einer Karikatur an, die Waldheim in etwas lächerlicher Freizeitkleidung zeigt, auf einem Pferd mit SA-Kappe und -Binde, zu dem er sagt: „Du bist schuld, wenn i später amal Schwierigkeiten krieg, du saublödes Viech!“

Und sie inspirierte Fred Sinowatz, damals Bundeskanzler und SP-Parteivorsitzender der SPÖ, zu seinem Diktum: „Nehmen wir also zur Kenntnis, dass nicht Waldheim bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“ Das war am 14.Juni. Keine vier Wochen später war Waldheim Präsident und blieb es bis 1992, auf eine weitere Kandidatur verzichtete er. Sinowatz trat am Tag nach Waldheims Wahlsieg als Kanzler zurück, ihm folgte Franz Vranitzky: Er war 1991 der erste offizielle Vertreter Österreichs, der für die von Österreichern im NS-Regime begangenen Verbrechen um Entschuldigung bat.

Und das Holzpferd? Es reiste noch ein wenig, u.a. nach Rom, mehr als der Präsident, könnte man böse sagen. Doch die längste Zeit stand es – zerlegt – in der Wiener Rockhgasse 1. Dort sitzt der 1986 gegründete „Republikanische Club – Neues Österreich“, der sich selbst „als Teil jener Zivilgesellschaft“ sieht, „die sich in Österreich für Menschenrechte und Aufklärung einsetzt“. Das Hrdlicka-Pferd, so Gründungsmitglied Kuno Knöbl auf der Homepage des Clubs, sei „der zivilen, demokratischen, republikanischen Gesellschaft vorangetrabt, die damals begann“.

Auch über diesen Gründungsmythos wird wohl im Hamakom-Theater im Nestroyhof diskutiert werden, bei der Serie namens „Politik des Vergessens“. Sie beginnt heute mit einer Theaterfassung von Robert Schindels Roman „Der Kalte“ (2013). Dieser spielt in den späten Achtzigern, Waldheim, Sinowatz, Vranitzky, Haider, Peymann u.v.a. kommen darin unter Pseudonymen vor. (tk)

Programm bis 4.11.: www.hamakom.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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