Prinz Eugen im Victoria & Albert Museum

Was man in London (noch) sehen muss: die erste Ausstellung über den Reichtum indischer Textilhandwerkskunst.

Wer vor 200 Jahren Kultiviertheit und Reichtum demonstrieren wollte, tat dies mit Kunstsammlungen im Verbund mit pompösen Innenausstattungen. So sammelte Prinz Eugen von Savoyen nicht nur Malerei, sondern auch Möbel aus exotischen Hölzern und ließ seine Schlösser mit handbedrucktem Chintz aus Indien ausstaffieren. Jetzt ist ein besonderes Zimmer aus seinem Schloss Hof zu Gast im Victoria&Albert Museum. Dort ist parallel zur Frieze eine außergewöhnliche Schau zu sehen: „Fabric of India“ mit über 200 handgefertigten Textilien – der heurige Höhepunkt der Frieze Week.

Gegründet wurde das Victoria& Albert Museum 1852. Von Beginn an lag ein Schwerpunkt auf Textilien aus Indien, manche sind jetzt das erste Mal überhaupt ausgestellt. Die Ausstellung beginnt mit einem überraschend gut erhaltenen Bodenstoff aus Mitte des 17. Jahrhunderts. „Textilien sind Architektur“, erklärt Ko-Kuratorin Divia Patel dazu. Denn in den Palästen gab es damals kaum Möbel, Tücher auf dem Boden, an den Wänden, Kissenbezüge und Markisen definierten die Räume, gaben den Grad der Privatheit vor. Das gilt auch für Eugens Zimmer. Aber anders als die meisten indischen Stoffe sind diese weder mit Gold bestickt noch in den typisch indischen Farben gefärbt. Die indischen Kunsthandwerker hatten gelernt, auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen. Während die Thailänder flammenähnliche Formen bevorzugten, freuten sich die Europäer über Florales. Vor allem mochten sie einen hellen Untergrund. Für die jagdliebenden Aristokraten fügten die indischen Meister noch europäisches Wild hinzu – und genau solch ein edler Stoff zierte Prinz Eugens Bett.

Paläste aus Stoff.
Aber nicht nur einzelne Räume, ganze Paläste bestanden aus einem einzigen Stoff, wie das fantastische Zelt von Tipu Sultan aus dem 18. Jahrhundert, das im Museum aufgebaut ist. Mit der britischen Stoff-massenfertigung Ende des 18. Jahrhunderts verloren die indischen Textilkünstler ihre Auftraggeber, die billigen Produkte fluteten sogar die indischen Märkte. Anfang des 20. Jahrhunderts rief Gandhi im Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft dazu auf, keine ausländischen Erzeugnisse zu kaufen, stattdessen indische Produkte zu unterstützen. Dadurch wurde die Khadi genannte, handgesponnene Baumwolle zu einem politischen Symbol der Freiheitsbewegung.

Heute ist Khadi wieder hoch aktuell, „Fabric of India“ zeigt mit großartigen zeitgenössischen Kleidern, wie sehr das traditionelle indische Kunsthandwerk in Hochzeitskleidern, Filmkostümen und Haute-Couture-Saris weiterlebt. Am Ende der Schau stellt man erstaunt fest, dass sich das Formenrepertoire der Stoffe heute kaum von jenen ältesten erhaltenen Textilien aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. unterscheidet. Eine Beobachtung, die man auch bei der Frieze und vor allem bei der afrikanischen Kunstmesse 1:54 machen kann: Der Blick zurück ist der neue Trend.

Daten

Die Frieze dauerte nur wenige Tage, die Ausstellungen rund um die Londoner Kunstwoche bleiben: „The Fabric of India“ im V&A bis 10. Jänner.

200 Exponate,indische Textilien vom dritten Jahrhundert n. Ch. bis heute, sind zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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