Moussa Kone: Geschichten aus der Feder

Moussa Kone
Moussa Kone(c) Julia Stix
  • Drucken

Er erzählt fast ausschließlich in Schwarz und Weiß, und die Pointe muss man oft selbst finden. Hier erklärt der österreichische Künstler Moussa Kone ein paar seiner rätselhaften Zeichnungen.

TIPP

Eigentlich kommt Moussa Kone von der Malerei. Vier Jahre lang hat er in der Frohner-Klasse an der Angewandten „machistisch-expressiv“ malen ­gelernt: „Das war der Trend in der Klasse“, sagt er. Seinen Namen in der Szene hat sich der 31-Jährige allerdings ganz anders erarbeitet: Mit meist mehrteiligen groß­formatigen, fein konstruierten Zeichnungen, die ihre Fortsetzung fallweise im Raum finden in Form von Installationen, die ­ihrerseits die Ausgangszeichnung zitieren. „Ich habe den großen fetten Pinsel eingetauscht gegen das Kleinste, was es gibt: eine 0,25 mm dünne Feder, die es mir erlaubt, ­diese fein konstruierten Zeichnungen anzufertigen“, resümiert er. 

Schwarz und Weiß sind nun die beiden Hauptfarben seiner Arbeit. Sie entsprechen Moussa Kones Ausgangsmaterialien: echter, pigmentierter Tusche und Papier im Normformat 50 mal 70 Zentimeter. Schwarz-Weiß-Malerei betreibt er trotzdem keine. Eher schon hat seine Arbeit mit der Schriftstellerei zu tun, nur eben im größeren Maßstab. „Als ich zu zeichnen begonnen habe, war es mir auch sehr wichtig, dass es dem Schreiben nahekommt“, sagt er. Dann aber mischt sich wohldosiert aufgetragene Aquarellfarbe darunter, die den Schwarz-Weiß-Dualismus sprengt und das Augenmerk des Betrachters zurück zum Bild führt und auf Details lenkt – etwa auf eine Serie von Bällen, die zwischen den Rüsseln zweier Zirkus­elefanten hin und her wandern, einen roten Balken in einem Dressurakt mit Pferden oder ein paar Seile, die von einem Baum hängen. Ornamenthaftigkeit und Symmetrie spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie geben den Bildern kompositorischen Halt, während die darin erzählten Geschichten stets an der Kippe stehen, Unvorhergesehenes hereinholen und Ordnungen subversiv sprengen.

Unvollendetes. Dazu passt auch, dass immer wieder einzelne Blätter unvollendet scheinen. „Mein Zeichnen ist wie ein nicht geschlossenes System. Manche Zeichnung wäre allzu schön, würde ich sie vollenden. Aber um die Zeichnung im Kopf fertigzudenken, braucht es oft gar nicht mehr. Und das Ornamentale ergibt sich ohnehin automatisch, weil die Zeichnungen so fein ausgeführt sind“, sagt er.

Eine Leerstelle gibt es allerdings, die konsequent mit Sinn besetzt ist: Das ist die Figur im Allgemeinen – meist menschliche Körper, manchmal auch Tiere, die im Unterschied zu den oft dicht schraffierten Kulissen stets möglichst reduziert gezeichnet sind –, und das Gesicht im Besonderen: Das menschliche Gesicht ist in allen Zeichnungen Moussa Kones konsequent ausgespart. Es zeichnet sich weder durch Mimik noch durch Gesichtszüge aus. Und genau hier, bei der Figur, beginnt im Grunde die Inhaltlichkeit dieses auf den ersten Blick so nah am Ornament und der Erzählung angesiedelten Œuvres. Hier ist auch ihr kritisches Potenzial angesiedelt. Denn im Kern ist Moussa Kones Arbeit zutiefst engagiert und an gesellschaftlichen Zusammenhängen interessiert – auch wenn sie sich mit ihrem Hang zum Ornamentalen, statt mit dem Holzhammer daherzukommen, lieber dem Missverständnis der Schönheit aussetzt.

Gesichtslosigkeit als Spiegel.
„Meine Figuren haben alle keine Gesichter, weil sie keine Individuen darstellen. Die Gesichtslosigkeit ist wie ein Spiegel, ein Platzhalter für die Maske des Gesichts. Damit werden die Figuren zu Stellvertretern für Zusammenhänge, die über die Story des Einzelnen hinausgehen.“ Aufs Ganze bezogen kann so ­eine rhythmisierte Ansammlung gesichtsloser Köpfe von der Hand des Zeichners am Ende durchaus schon einmal im buchstäblich sinnentleerten Fliesenmuster ­einer Wand verdoppelt werden.

Damit scheinen sich Zusammenhänge gleichzeitig zu relativieren wie auch zu konkretisieren – ein Widerspruch, den Kone stets mit auf die Rechnung genommen hat. Das gilt auch für seine grenzüberschreitenden Projekte im Kollektiv – etwa die Zusammenarbeit mit dem Verein Kunstwerft, bei der verschiedene Aspekte des Kunst­systems unter die Lupe genommen werden.

Reuige Kunstdiebe – hierher! Unerwartete Bekanntheit erlangte die von Kone 2004 zusammen mit dem Schriftsteller Erwin Uhrmann gegründete Gruppe schon früh mit dem Projekt „Kunstklappe“. Basierend auf dem Prinzip tätiger Reue ermöglichte diese von ihnen initiierte, mittlerweile wieder geschlossene Einrichtung Kunsträubern die anonyme Wiedergabe gestohlener Objekte. Erst dieser Tage wurden Kone und Uhrmann anlässlich der Rückgabe zweier vor 36 Jahren aus der Pfarrkirche von Gresten entwendeten Barockengel vom Sicherheitsdirektor des Landes Niederösterreich geehrt.

Respekt in der Kunst­szene verschaffte sich „Kunstwerft“ auch mit ­ihrem jüngsten Baby, dem in Zusammenarbeit mit der Basis Wien von einer Kritikerjury verliehenen „Art Critics Award“: Entstanden aus einem Kunstprojekt und der theoretischen Beschäftigung mit der eigenen Arbeit ist der aus Medienbeobachtung entstandene Preis mittlerweile zu einer begehrten Auszeichnung in der über Kunst schreibenden Zunft geworden. „Der Preis funktioniert nur, weil eine Institution dahintersteckt“, ist sich Moussa Kone bewusst. Ob er damit nicht einen Seitensprung heraus aus dem Feld der Kunst getan hat? Nein, sagt er. Denn auch der Bereich des Schreibens über die Kunst ist ein Raum, den es für einen Künstler wie ihn zu unter­suchen gilt. Kunst im öffentlichen Raum sozusagen.

Strabag Art Award Ausstellung der Nominierten noch bis 26. 6., Strabag Art Forum. Galeriekontakt: www.charimgalerie.atwww.moussakone.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.