Adela Demetja: Aufbruch und Aufbauarbeit

Blick für Kunst. Adela Demetja ist die Gründerin und Leiterin des Tirana Art Lab.
Blick für Kunst. Adela Demetja ist die Gründerin und Leiterin des Tirana Art Lab.(c) Valentina Kneževic
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Die albanische Kuratorin Adela Demetja stellt auf der Viennacontemporary alternative Kunsträume aus Kroatien, Slowenien, Mazedonien, Serbien und Albanien vor.

Die Kuratorin und Autorin Adela Demetja gründete 2009 das Tirana Art Lab, eine alternative Institution, die, anfangs ohne festen Ort, Ausstellungen mit jungen albanischen Künstlern organisierte. Erst die Übersiedlung 2013 in eigene Räumlichkeiten ermöglichte die Organisation langfristiger Projekte und eine Vernetzung mit der internationalen Szene. „Die Verbindung von lokalem und europäischem Diskurs ist uns wichtig“, sagt Demetja. Für die Viennacontemporary kuratiert Adela Demetja den Programmschwerpunkt „Focus: Ex-Yugoslavia and Albania“, für den sie fünf alternative Kunsträume aus Kroatien, Slowenien, Mazedonien, Serbien und Albanien ausgewählt hat.

Wenn man die verschiedenen Regionen vergleicht: Lässt sich die Situation überhaupt über einen Kamm scheren?
Natürlich nicht. Dennoch wird – nicht nur im Fall von Ex-Jugoslawien und Albanien – eine regionale oder territoriale Repräsentation immer wieder als Rahmen benutzt, um Kunst und Kultur zu präsentieren. Problematisch wird es, wenn die regionale Vorstellung ein verallgemeinertes, einseitiges Bild vermittelt.


Welche Rolle spielt die jüngere Geschichte für die zeitgenösssische Kunst auf dem Balkan?
Bis in die 1990er-Jahre haben die Länder und die Menschen, die hier leben, ihr eigenes Bild gestaltet und ihre eigene Weltvorstellung geprägt, unabhängig von den Konsequenzen. Die Einführung der Demokratie stellte einen drastischen Bruch dar, der einen schwierigen Prozess der Neuorientierung und Identitätsfindung in Gang setzte. Das hat auch die Kunstszene stark geprägt. Auch wenn die vorgestellten Institutionen unterschiedliche Entstehungsgeschichten, Strukturen, Funktionen haben: Die Reflexion der inneren Entwicklungen und äußeren Einflüsse sowie des politischen, ökonomischen und sozialen Kontexts verbindet sie.

Aurora Kalemi. Die erst  23-Jährige gilt bereits als Shootingstar der albanischen Szene.
Aurora Kalemi. Die erst 23-Jährige gilt bereits als Shootingstar der albanischen Szene.(c) Aurora Kalemi

Für viele ist die Region eine Terra incognita. Wie leben die Künstler dort? Welche Möglichkeiten haben sie? Wie lang gibt es überhaupt schon eine Kunstszene?
Um nicht zu verallgemeinern, beziehe ich mich jetzt einmal nur auf Albanien: Es gibt hier eine hauptsächlich auf die Hauptstadt konzentrierte Kunstszene mit wenig Kontakt zwischen den Generationen. Die lokalen Möglichkeiten sind begrenzt, es gibt nur wenig Förderung für Produktionen und kaum Stipendien für Reisen oder Ateliers. In dieser Situation hören viele auf, Kunst zu machen. Wer die Möglichkeit hat, verlässt das Land. Nur wenige machen trotz der schwierigen Bedingungen weiter. Um diese Künstler zu fördern, haben wir 2009 das Tirana Art Lab gegründet, um die Künstler vor Ort bei der Produktion zu unterstützen und auszustellen und andererseits die regionale mit der internationalen Kunstszene zu vernetzen. Wir sind prozess- und rechercheorientiert und wollen die aktuellen Zustände durch und mit der Kunst kritisch beleuchten und diskutieren.


Wie sieht der Kunstmarkt in den vorgestellten Ländern aus?
Es gibt mittlerweile einige Galerien, aber viele funktionieren nur im lokalen Kontext. Nur wenige haben es geschafft, sich international zu etablieren und an internationalen Topmessen wie Basel, Miami, Köln teilzunehmen. Die Viennacontemporary ist für die südosteuropäischen Galerien eine wichtige Plattform als First Step in die internationale Kunstszene. Was hier passiert, ist die Beteiligung von Institutionen, die alternative Möglichkeiten suchen, um der Abhängigkeit von staatlichen oder privaten Förderungen zu entkommen, auf einer Messe. Um eine Veränderung des Markts in Gang zu setzen, muss man aber sehr behutsam agieren, andernfalls eignet sich der Markt die Institutionen an. Ich sehe ein Potenzial für die südosteuropäische Szene darin, dass wir noch Unabhängigkeit vom Markt genießen, auch wenn wir zugleich darunter leiden. Dementsprechend habe ich auch mein kuratorisches Konzept für „Focus“ angelegt und alternative Kunstinstitutionen eingeladen, um ihnen mit Unterstützung der Viennacontemporary eine Möglichkeit zu bieten, auf dem Kunstmarkt aufzutreten.


Welche Rolle spielen die Künstler in Zusammenhang mit alternativen und unabhängigen Institutionen?
Die Künstler spielen bei der Entwicklung dieser Institutionen bis heute eine enorme Rolle, was oft dazu geführt hat, dass sie selbst keine Kunst mehr machen und – so wie auch ich – zu Initiatoren, Betreibern, Kuratoren oder Managern wurden. Ich selbst habe auch Kunst gemacht, bis ich aus der Notwendigkeit heraus angefangen habe, für mich und meine Künstlerfreunde Ausstellungen zu organisieren und dem später dann eine institutionelle Struktur gegeben habe.

Milan Nešić. Der Maler aus Novi Sad ist einer der etablierteren Künstler Serbiens.
Milan Nešić. Der Maler aus Novi Sad ist einer der etablierteren Künstler Serbiens.(c) Milan Nesic



Wie weit engagiert sich der Staat? Wie viel liegt ihm an einer funktionierenden Szene?
Das albanische Kulturministerium unterstützt Projekte von Künstlern und Institutionen. Das Budget ist aber gering, die Mittel werden an möglichst viele Künstler verteilt. Letztendlich bekommt eine Institution wie das Tirana Art Lab nicht mehr finanzielle Unterstützung als ein künstlerisches Einzelprojekt. Eine langfristige Strategie für die Entwicklung der unabhängigen Szene fehlt. Die Institutionen sind auf regionale oder internationale Fördermittel angewiesen, was die Arbeit nicht einfach macht. Zugleich steckt der Staat selbst enorme Summen in Kulturprojekte, Festivals, Veranstaltungen bestimmter Personen, ohne dass dieser Prozess für die Öffentlichkeit transparent gemacht wird. Diese Veranstaltungen und Projekte dienen nicht der Kunstszene und den Künstlern, sondern politischen Zwecken.


Einige wenige Künstler haben es zu internationaler Anerkennung gebracht . Wie weit nützt das der regionalen Szene?
Viele der Starkünstler, die internationale Annerkennung bekommen haben, leben und arbeiten seit Jahren nicht mehr in ihren Heimatländern. Ich finde die Position jener, die trotz aller Schwierigkeiten vor Ort weiter hier leben und arbeiten und es dennoch international geschafft haben, spannender und wichtiger. Einige von ihnen werden auch bei „Focus“ zu sehen sein, etwa Damir Očko bei Apoteka Space for Contemporary Art, der Kroatien 2015 auf der Biennale in Venedig vertreten hat. Oder Nada Prlja, die in Skopje lebt und arbeitet und deren Arbeiten von der Serious Interests Agency aus Mazedonien gezeigt werden.


Eine Präsentation kann immer nur ein Auszug sein. Worauf liegt das Hauptaugenmerk des „Focus“?
Unsere Präsentation funktioniert auf zwei Ebenen: Zum einen geht es darum, fünf alternative Institutionen und ihre Arbeit zu präsentieren. Zum anderen werden die Leiter der Institutionen vor Ort sein und ihr Programm vorstellen. „Focus“ funktioniert wie eine Ausstellung, es ist ein Open Space und ein Treffpunkt. Auch einige Künstler werden anwesend sein. Mein Konzept ist, dass jede Institution jeweils drei künstlerische Positionen aus verschiedenen Generationen zeigt: eine junge Position, eine etablierte und eine Rediscovery-Position, deren Arbeiten international noch nicht so bekannt sind und Relevanz für die Gegenwart haben. Ein Beispiel für Letzteres sind ist etwa die Fotoarbeiten von Lumturi Blloshmi, die vom Tirana Art Lab präsentiert wird und als einzige Frau ihrer Generation auch heute noch relevante Kunst macht.

Tipp

„Focus: Ex-Yugoslavia and Albania“ ist auf der Viennacontemporary auf Stand B36 zu finden (Marx-Halle, 22.–25. 9.) Details auf viennacontemporary.at

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