Kunstszene: Von hier aus kann es weitergehen

 Dominiert den Stand des Wiener Galeristen Georg Kargl auf der Viennacontemporary: Fast vier Meter breite Kreidezeichnung von Muntean/Rosenblum, 2016.
Dominiert den Stand des Wiener Galeristen Georg Kargl auf der Viennacontemporary: Fast vier Meter breite Kreidezeichnung von Muntean/Rosenblum, 2016.(c) Georg Kargl
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Alles scheint am Schnürchen zu laufen, eine tolle Viennacontemporary in St. Marx, eine irre Parallel-Satellitenmesse in der Alten Post. Alles professionell, optimiert, gut besucht. Doch was jetzt?

Wien im Kunstschwips, wie nett. Dienstag das Vorglühen, die total irre Eröffnung der Parallel-Kunstmesse in der Wiener Innenstadt, wie im Bau eines wild gewordenen Ameisenvolks. In gefühlt Hunderten Kämmerchen und Ecken und Stiegenhäusern und Nischen und wahrscheinlich auch noch in all den vielen Löchern in den Wänden des alten Post-Gebäudes auf der Dominikanerbastei wird Kunst gezeigt. Nicht nur von jungen, auch von etablierten Galerien, nicht nur von großen Institutionen, auch von kleineren, von Off-Spaces, von Künstlern in Eigenregie. Dazu hat Organisator Stefan Bidner noch eine Wunderkammer eingerichtet, einen Skulpturenparcours, eine von Elfie Semotan kuratierte Fotografieausstellung. Die Location ist so genial wie grauenhaft, so cool wie im Szene-Bilderbuch, so nervig und redundant in der Praxis. Langsam reicht es einem hier mit der Kunst, wo bleibt jetzt das versprochene Luxushotel? Sollen sich doch reiche Russen hier verirren.

Diese kennen den Floor-Plan allerdings schon auswendig, von ihren Parallel-Besuchen im Rahmen der Hauptmesse Viennacontemporary, der mittlerweile one and only internationalen Kunstmesse Wiens rund um den russischen Immobilienmagnaten Dmitry Aksenov. Er hat gewonnen, Chapeau! Der doch etwas erzwungen wirkende Auszug des alten Viennafair-Teams aus der Messe Wien vor zwei Jahren war rückblickend wohl eher ein Schachzug. Die historische Rinderhalle St. Marx ist zwar weniger zentral, aber umso charmanter. Womit Wien eine der schönsten Zeitgenossen-Messen Europas hat, übersichtlich aufgestellt mit 112 Teilnehmern, qualitativ engagiert und thematisch seit Jahren konsequent (Osten!). Den verlorenen Sponsor-Sohn Erste Bank hat man ebenfalls zurückgewinnen können, und die Bleibe ist zumindest nächstes Jahr noch sicher. Ab 2018? Werde mit den Hallenbetreibern noch verhandelt, richtet man aus.

Berlin ist eh überschätzt

Bis dahin dürfen „die Deutschen“ also ruhig neidisch auf „unsere“ Messe sein, wie man hört. Berlin ist als Kunststandort sowieso „völlig überschätzt“ (gab Malerfürst Markus Lüpertz just gestern den deutschen Medien zu Protokoll). Es gibt in Berlin nur die teurere und für die Galeristen weitaus weniger komfortable ABC-Anti-Kunstmesse. Und der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Kunst wurde in Deutschland 2014 ebenfalls abgeschafft. Was in Kombination mit der Einführung des Kulturgüterschutz-Gesetzes (Ausfuhrgenehmigungen!) dazu führt, dass immer mehr deutsche Galerien und Kunsthändler nach Wien übersiedeln. Wie es gerade die Düsseldorfer Beck und Eggeling gemacht haben, deren voriges Wochenende eröffnete Wiener Dependance Katharina Husslein, ja, die Tochter, führt. Oder die voriges Jahr in der Eschenbachgasse eröffnete Dependance der Berliner Galerie Crone, der Markus Peichl vorsteht, ja, der Sohn. Jüngster Zuzug sind Croy Nielsen, die es ebenfalls aus Berlin nach Wien, an den Parkring, gezogen hat. Ihr erster Auftritt ist jetzt bei der Viennacontemporary, wo sie sich einen Stand mit Emanuel Layr teilen.

Womit wir bei den ewig „jungen“, „emerging“ Galerien wären. Angeblich gebe es davon plötzlich so viele in Wien. Ist wohl eher Wunschdenken. Zwar gibt es tatsächlich neue Galerienamen inklusive neuer Standorte wie Lisa Kandlhofer und Nathalie Halgand, beide auch bei der Viennacontemporary vertreten. Aber beide sind schon seit Jahren, unter anderen Namen, als Galeristinnen aktiv. Die kreative Masse, die Wiens immer noch äußerst gefragte Kunst-Unis jährlich ausspeit, liegt also immer noch weitgehend brach und heimatlos vor einem. Wie auch ein, zwei neue Generationen kaufkräftiger Sammler. Es sind vor allem professionelle, international orientierte Organisationen wie das Dorotheum, vom Magazin „Art & Auction“ gerade zum achtbesten Auktionshaus weltweit gekürt, und eben die Viennacontemporary, die am Niederreißen von Schwellen und Vorurteilen arbeitet: 30.000 Leute werden etwa bis Sonntag wieder in der Marx-Halle erwartet.

Wir sollten eine Pause machen

Läuft also alles am Schnürchen? Bei uns vielleicht noch, international ist gerade die große Zeitgenossen-Spekulationsblase geplatzt, die Art Flipper verlieren bis zu 90 Prozent ihrer Investments in abstrakte Kunst von gehypten, mittzwanzigjährigen Maler-Eintagsfliegen. Langfristig sollte man sich also eine Vision erlauben. Wie der Wiener Galerist Andreas Huber es jetzt vorhat, einer der ernsthaftesten, anspruchsvollsten Galeristen der jüngeren Zeit. Nach zehn Jahren schloss er gerade seine Galerie, um Kapazitäten zu haben, sein Geschäft, Kooperationen mit Künstlern, Sammlern, Institutionen neu zu denken. Das halbe Jahr auf Kunstmessen zu verbringen, die immer gleichen Sammler anzubaggern, die immer gleiche Signature-Kunst immer gleicher Starkünstler zu verkaufen. Das x-te kuratierte Galerienfestival mit halb philosophischer Verbrämung. Die immer gleich verkorkste Nachwuchskunst in shabby-schicken Löchern. Die immer selben Panels und Talks. Das bringt uns doch nicht weiter. Galeristen und Künstler sind genervt, ausgebrannt oder in prekären Verhältnissen. Die Sammler orientierungslos. Und der Rest spürt nichts weiter als den nächsten netten Kunstschwips.

TERMINE

Viennacontemporary. Internationale Kunstmesse mit 112 Galerien in der Marx-Halle, Wien 3. Noch bis Sonntag, 25. September. Fr. 11–19h, Sa./So. 11–18h. Tickets: 12,50 Euro.

Parallel Vienna. Satellitenmesse in der Alten Post, Dominikanerbastei 11, Wien 1. Bis 25. September.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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