Mit Knallfarben gegen die Tristesse

Stefanie Moshammer
Stefanie Moshammer(c) Stefanie Moshammer
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Shootingstar nennt man sie: Die junge Wiener Fotografin Stefanie Moshammer ist mit ihren farbstarken Fotos aus Slums und der Halbwelt omnipräsent.

Stefanie Moshammer ist nicht der Typ Shootingstar, wie man ihn sich vorstellt. Sie ist eher das Mädchen von nebenan, zierlich, freundlich, konzentriert und trägt ihre leere Kaffeetasse auch wieder selbst hinaus nach dem Interview. Total nett für jemanden, der in knapp zwei Jahren einen internationalen Durchbruch hingelegt hat, wie er noch keiner österreichischen Fotografin in diesem Alter, 27, gelungen ist. Die Fotografien von Moshammer, die in Wien, Linz und Dänemark studiert hat, scheinen zurzeit auf so ungefähr allen coolen Magazin-Covers von „Vice“ bis „Zeit“-Magazin auf. Und seit gestern kann auch noch eine „triumphale“ Heimkehr besungen werden: In der Fotogalerie Ostlicht in der Ankerbrotfabrik wurde Moshammers erste große Ausstellung in ihrer Heimatstadt eröffnet, die eine Auswahl ihrer jüngsten Serie „Land of Black Milk“ umfasst.

Dieses mythische Land soll die Favelas von Rio de Janeiro umreißen, die vor allem von Afro-Brasilianern bewohnt werden, ohne die das ganze Land heute nicht das wäre, was es sei, so Moshammer. Dennoch, beobachtete sie, herrsche in Brasilien ein überraschend unreflektierter, anscheinend akzeptierter Rassismus. Es entstanden trotzdem völlig andere Bilder, als man sie sich jetzt erwarten würde, man sieht Moshammers Anspruch, nicht allzu dokumentarisch in ihrer Arbeit vorzugehen. Eher ist sie an einer „Story“ interessiert, sei es wie hier die Konterkarierung unseres Favela-Mythos.

Nur niemand als Opfer bloßstellen

Denn arm, schmutzig, trist – das kann man auf Moshammers Bildern höchstens an Details erahnen (von der Nahaufnahme eines zerdroschenen Autos einmal abgesehen). Im Fokus steht eher die Farbe, die kräftige, starke, fröhliche Farbe, ihre Entdeckung und Inszenierung scheinen das wahre Interesse Moshammers gewesen zu sein. Der knallgelbe Helm eines Arbeiters. Die knallblaue Blechwand, vor der ein Junge mit Wasserpistole steht. Die neongelben Installationsschläuche, die sich auf einer Baustelle winden. Das nahezu bildfüllende orange Tuch, das von jemandem hochgehalten wird wie ein Zelt und fast den ganzen exklusiven Ausblick verdeckt, den manche Favelas auf Rio-Downtown genießen (sie sind in die umgebenden Hügel hineingebaut). Opfer? No way!

Durch dieses plakativ ästhetische Interesse an Orten, an Umständen, die uns sonst vor allem aus sozialen Gründen interessieren, passiert Eigenartiges, eine Art Ermächtigung: Die abgebildeten Menschen wirken ebenfalls stark wie die Farben, wie die ästhetische, formale Entscheidung der Fotografin. Sie sind Kunstfiguren, Filmfiguren, inszenierte Helden.

Dabei sind die Bilder oft Schnappschüsse, denn Moshammer fotografiert viel und schnell, sagt sie. Sie bereitet sich dafür gründlich vor, bevor sie eintaucht in diese fremden Welten. So war es auch bei ihrer Serie, der sie den Durchbruch voriges Jahr verdankt: „Vegas & She“ zeigt ähnlich wie später in Rio in farbstarken Bildern Momente aus dem Leben von Stripperinnen in Las Vegas. Auch hier – selbstbestimmte, selbstbewusste Frauen. Beginnend mit der Tänzerin, die sie in die Szene einführte. Derartige Verbindungspersonen brauche man, sagt Moshammer. Wie sie überhaupt nur arbeiten könne, wenn sie sich nicht völlig fremd fühle an einem Ort. Also baut sie sich erst einmal eine eigene „Komfortzone“ auf.

Das dürfte sich zumindest bei ihrem nächsten Projekt erübrigen, es wird in Wien stattfinden, eine Auftragsarbeit vom Salzburger Fotohof mit dem Bundeskanzleramt, erzählt sie. Zurück zu den Anfängen also? Hier hat Moshammer ihre Karriere begonnen, ob strategisch oder nicht, jedenfalls sehr klug, weil sehr präzise aufgestellt: Alles, was die Fotografie heute umtreibt, hatte sie im Programm. Begonnen mit einer Modeausbildung in Hetzendorf. Dann kam Grafikdesign auf der Grafischen dazu. Dann Fotografie und Grafik an der Kunst-Uni Linz. Dann das Journalistische, Visual Storytelling an der School of Media and Journalism in Aarhus, Dänemark. So kann man diesen seltsam reizvollen, sophisticated Mix aus künstlerischem Konzept und journalistischem Denken Moshammers erklären, der aus ihr machte, was sie jetzt gerade ist, Shootingstar eben.

Bis 23. 12., Ostlicht, Absberggasse 27. Mi–Sa, 12–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2016)

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