Kunst-Haus Wien: Porträt mit Beet und Bienenstock

Seit den 1990er-Jahren fotografiert Iris Andraschek Biobauern und Aussteiger im Wein- und Waldviertel: Hier „Minou“ aus der Serie „Gardens under the influence“, 2006.
Seit den 1990er-Jahren fotografiert Iris Andraschek Biobauern und Aussteiger im Wein- und Waldviertel: Hier „Minou“ aus der Serie „Gardens under the influence“, 2006.(c) Iris Andraschek/Bildrecht Wien
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Im Hof und in der Garage lässt Künstlerin Iris Andraschek Bienen summen, Chilis wuchern, Esel küssen und Biobauern erzählen.

Während halb Wien im Sommer aufs Land fährt oder davon zumindest träumt, bringt das Kunst-Haus Wien diesen Sommernachtstraum mitten in die Stadt. Und tatsächlich küsst hier, in Hundertwassers ehemaliger Garage, eine kleine Titania ganz innig ihren Esel, am Rand eines der vielen Fotos, die Iris Andraschek seit den 1990er-Jahren vom Leben nicht nur auf dem Land, sondern mit dem Land macht: Seit fast 20 Jahren begleitet die 1963 in Horn geborene Künstlerin fotografisch und filmisch, in künstlerisch-dokumentarischer Weise, einige Menschen im Wald- und Weinviertel, die ihren bewussten, nachhaltigen Umgang mit der Natur (oder auch Dingen an sich) zu einem auch ökonomisch funktionierenden Lebensmodell gemacht haben. Also Biobauern, Saatgutvermehrer oder einen Altwarenhändler, der in einem alten Stall sozusagen die Sortenvielfalt der Hängelampe pflegt.

Spektakulär barockes Gewächshaus

Wunderschöne Fotos sind das, zauberhaft, poetisch, nie plakativ missionarisch – wie das vom Esel-küssenden Mädchen, vom prächtigen Pfau, der auf einer Mülltonne hinter einem Schuppen sitzt, von dem jungen Landwirt, bei dem man erst auf den zweiten Blick bemerkt, dass er Rock und Lippenstift trägt. Dazwischen reihen sich Momentaufnahmen alltäglicher Arbeit, teils mit Blitzlicht fotografiert, was vom Effekt stark an die charakteristische Bildsprache des steirischen Fotografen Manfred Willmann erinnert.

Das irritiert ein wenig, ist aber nur ein Teil von Andrascheks Zugang, der sich aus mehreren fotografischen Stilen – spektakulär sind ihre barocken, theatralen Aufnahmen eines Gewächshauses mit seinen opulent gerafften Plastikplanen – und auch mehreren Medien zusammensetzt. Denn Andraschek ist keine dezidierte Fotokünstlerin, sondern auch Zeichnerin, Objektkünstlerin. So hat sie draußen im Hof einen alten hölzernen Bienenwagen aufgestellt, auf den sie herb-charmante Pin-ups und Close-ups des bäuerlichen Lebens gehängt und in den sie kleine Bildschirme integriert hat, auf denen Interviews laufen oder eine Erntehelferin einfach nur singt. Rundum stehen ebenso alte Lastenanhänger, die einige Züchter bepflanzt haben, mit der Aufgabe, pflanzliche Selbstporträts von sich wachsen zu lassen. Wuchernde, exotisch-bäuerliche Nomadenkarren sind das geworden, mit Chilipflanzen und Erdnussstauden und irgendwo vielleicht auch einer Kerbelrübe, von deren Zucht einem so viel erzählt wird in einem der Videos. Und was ist das? Ganz hinten hört man Bienen summen, natürlich, hier steht ein Schau-Bienenstock mit einem noch jungen Volk, vor dem sich auch Stadtpflanzen angeblich nicht zu fürchten brauchen. Am Dach des Kunst-Haus Wiens stehen die anderen, ihr Honig wird als Teil von Andrascheks Ausstellung mit einem von ihr entworfenen Logo im Shop verkauft.

Das ganze Projekt passt jedenfalls perfekt in die von Direktorin Bettina Leidl verordnete Neupositionierung des Hauses als Ort für (Foto-)Kunst mit ökologischem Gewissen. Im Herbst folgt in diesem Sinne die nächste Großausstellung: „Visions of Nature“.

Iris Andraschek – Sekundäre Wildnis. Bis 8. Oktober, täglich 10 bis 18 Uhr. Untere Weißgerberstraße 13, Wien III.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2017)

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