Eike Schmidt: „Museen sind keine Fußballklubs“

Eike Schmidt hat die Uffizien im Rücken, vor dem inneren Auge aber schon das Kunsthistorische Museum.
Eike Schmidt hat die Uffizien im Rücken, vor dem inneren Auge aber schon das Kunsthistorische Museum.imago/Italy Photo Press
  • Drucken

Eike Schmidt, Direktor der Uffizien, wechselt 2019 ans Kunsthistorische Museum in Wien. Was in Italien für Unmut sorgt. Der gebürtige Freiburger nimmt es mit Humor.

Die Presse: Sie sind seit November 2015 Direktor der Uffizien in Florenz. Mitte 2019 werden Sie ans Kunsthistorische Museum in Wien wechseln. Warum wollen Sie denn schon wieder weg?

Eike Schmidt: Nein, ich will nicht aus Florenz weg, ich will nach Wien hin. Aber das löst sich ganz gut: Ich habe Familie in Florenz, werde also regelmäßig zurückkommen. Ich bleibe Italien also erhalten.

Den Uffizien auch?

Ich hoffe es. Ich habe einige Ausstellungsprojekte in Angriff genommen, die erst 2020 zu sehen sein werden. Ich hoffe, dass ich zur Eröffnung eingeladen werde. Aber ich hoffe auch, dass sich einige gemeinsame Projekte zwischen Wien und Florenz lancieren lassen. Das wäre wirklich schön, denn historisch waren die Uffizien und die kaiserlichen Sammlungen in Wien über Jahrhunderte aufs Engste verbunden.

Worin bestand diese Verbindung?

Allein dynastisch war das Großherzogtum Toskana an Wien angebunden: Vom frühen 18. Jahrhundert bis 1759 waren die Habsburger in Florenz. Es fanden auch Bildertauschaktionen zwischen der kaiserlichen und der großherzoglichen Sammlung in Florenz statt. Zum Beispiel die „Hl. Allegorie“ von Giovanni Bellini, eines der Hauptwerke der venezianischen Renaissancemalerei, das in Florenz zu sehen ist, stammt eigentlich aus Wien. In diesem Herbst haben wir sie ausnahmsweise einmal verliehen: An das Getty Museum in Los Angeles.

Ein weiteres weltbekanntes Museum, in dem Sie einmal tätig waren.

Ja, dort gibt es einen italienischen Kurator, mit dem ich gut befreundet bin. Wir machen auch bald eine gemeinsame Ausstellung mit dem Getty über den „Hellebardier“ von Jacopo da Pontormo. Solche internationalen Zusammenarbeiten sind für mich enorm wichtig. Sie sind es hier in Florenz und werden es auch in Wien sein. Da kann man natürlich die Kontakte, die man schon geknüpft hat, hervorragend nutzen.

Sie sind der erste Nicht-Italiener, der die Uffizien leitet. Manche in Italien fühlten sich deshalb auf den Schlips getreten. Nun ist die Empörung erneut groß, diesmal, weil Sie die Uffizien wieder verlassen.

Diese Polemik kann ich nur mit Humor sehen. Es schreien jetzt diejenigen am lautesten, die am lautesten geschrien haben, als ich gekommen bin. Bei anderen ist die Sorge authentisch, aber ich bleibe ja noch einige Zeit und werde noch vieles tun.

Manche finden, in der Museumswelt gehe es bereits zu wie im Fußball, also was den Wechsel und den Kampf um die besten Direktoren angeht. Sind Sie der Lionel Messi der Museumsdirektoren?

Das ist zwar schmeichelhaft zu hören, aber nein. Dieser Vergleich ist Quatsch. Weder zahlt der österreichische Staat dem italienischen eine schwindelerregende Ablösesumme für mich. Noch ist es so, dass Museen in Wettkämpfen gegeneinander antreten. Wir ziehen alle an einem Strang, auch international. Wir sind Kulturinstitutionen. Und die haben dann einen Sinn, wenn es um die Erforschung und die Vermittlung von Kultur geht. Verlierer gibt es nur, wenn die Menschen gar nicht ins Museum gehen.

Im Palazzo Pitti, der auch zu den Uffizien gehört, gab es seit Ihrem Amtsantritt einige Neuerungen. Dort findet sich jetzt zum Beispiel auch das Museum der Mode.

Die erste große Ausstellung dort ist ein großer Erfolg. Diese Säle waren vorher fast leer, inzwischen sind sie voller Leben. Mode ist ein Thema, das vor allem in Florenz mit der bekannten Männermodemesse „Pitti Uomo“ viele interessiert. Wir sind das einzige Museum, das vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart Mode, Kostüme und Textilien zeigt. Und Prêt-à-porter ist quasi im Palazzo Pitti erfunden worden.

Was wird Sie in Wien erwarten?

In Florenz mussten und müssen wir in vielerlei Hinsicht den Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert schaffen. In Wien sind wir schon im 21. angekommen, da setzen wir viel höher an. Hier wird es darum gehen, das Kunsthistorische Museum dorthin zu bringen, wo es hingehört. Die Österreicher sagen: Es ist weltberühmt in Österreich. Aber es sollte auch weltberühmt auf der ganzen Welt sein. Als eines der großen Forschungsmuseen spielt das KHM in derselben Liga wie das Getty in Los Angeles. Aber das ist zu wenig bekannt, deswegen ist es ganz wichtig, die Forschung und die Vermittlung zusammenzubringen. Diese Einheit war schon ursprünglich ganz zentral, als die Museen im 18. Jahrhundert als Kulturinstitutionen gegründet wurden.

Auf welches Werk freuen Sie sich in Wien am meisten?

Ich freue mich auf den „Jüngling vom Magdalensberg“ genau so wie auf die „Saliera“ von Cellini und ganz besonders auf das „Selbstportrait im konvexen Spiegel“ von Parmigianino. Auch da tun sich wieder Parallelen auf: Die Uffizien haben die älteste und größte Sammlung an Selbstporträts. Aber das ungewöhnlichste und bedeutendste Selbstporträt hat das Kunsthistorische Museum: nämlich das von Parmigianino.

ZUR PERSON

Eike Schmidt (*1968 in Freiburg) studierte Kunst in Heidelberg, 1994 Promotion über die Ebenholzskulpturen der Medici, danach arbeitete er am Kunsthistorischen Institut in Florenz. 2001 ging Schmidt als Kurator an die National Gallery of Art in Washington, 2006 bis 2008 war er am Getty Museum in Los Angeles tätig, bevor er als Experte zu Sotheby's nach London wechselte. 2009 ging er zurück in die USA – ans Minneapolis Institute of Arts. Seit 2015 ist er als erster Ausländer Direktor der Uffizien in Florenz, der einstigen Privatsammlung der Medici. Ab 2019 wird Schmidt Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.