Stars der späten Gotik: Vater und Sohn Frueauf

Statt Avantgarde-Christbaum heuer „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ von Rueland Frueauf d. Ä. im Oberen Belvedere: eine der frisch restaurierten Tafeln des monumentalen „Salzburger Altars“ (1490/91).
Statt Avantgarde-Christbaum heuer „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ von Rueland Frueauf d. Ä. im Oberen Belvedere: eine der frisch restaurierten Tafeln des monumentalen „Salzburger Altars“ (1490/91). (c) Belvedere
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Oberes Belvedere. Die Reihe „Meisterwerke im Fokus“ bekommt einen fixen Ort: Den starken Auftakt machen die spektakulären Salzburger Altartafeln von Frueauf dem Älteren und die sexy Overalls von Frueauf dem Jüngeren. Bis 11. März.

First things first: Avantgarde-Christbaum wird es heuer keinen geben in der Pfeilerhalle des Oberen Belvedere. Die Tradition, die Ex-Direktorin Agnes Husslein eingeführt hat, wollte man ihr durch Weiterführung nicht „stehlen“, hört man als Erklärung aus dem Belvedere. Man hätte, der Idee zu Ehren, auch ein kleines Wäldchen aus den bisherigen sieben Kunst-Bäumen von Gelatin bis Constantin Luser aufbauen können. Stattdessen ließ die neue Direktorin Stella Rollig die Bilder von Husslein-Großvater Herbert Boeckl abhängen, inklusive der ganzen Sammlungspräsentation der Zwischenkriegszeit, die im Oberen Belvedere links zu sehen war. Fehlt nur noch, dass Wolfgang Bergmann den günstigen Erb-Mietvertrag des historischen Boeckl-Ateliers kündigt, der dem Belvedere unter Husslein übertragen wurde . . .

Das wäre die boshafte Interpretation. Die neutrale: Man wollte Platz schaffen für die Serie „Meisterwerke im Fokus“, die unter ähnlichem Namen nicht nur weitergeführt, sondern aufgewertet werden soll. Bisher wanderte sie durchs Haus, jetzt wird sie fix in besagter Erdgeschoß-Raumflucht des Oberen Belvedere zu finden sein und dort dreimal im Jahr wechseln. Bei der Neuaufstellung der Dauersammlung nächstes Jahr bekommt dann auch die Zwischenkriegszeit wieder ihren Auftritt. Im zweiten Stock, so Rollig, man wird sehen, in welcher Stärke.

Vor Dürer regierten die Frueaufs

Einen starken Auftakt bekam jedenfalls die sesshaft gewordene Fokus-Reihe: Rund um die acht spektakulär großformatigen, frisch restaurierten Tafeln des Salzburger Altars von Rueland Frueauf des Älteren. Ja, wir befinden uns im Mittelalter, späte Gotik, zweite Hälfte 15. Jahrhundert, es regierte die habsburgische „Erzschlafmütze“ Friedrich III. das heilige römische Reich. Die Malerei regierte in dieser Generation vor Dürer im deutschsprachigen Raum die Familie Frueauf und ihr Kreis.

Davon kann man sich jetzt in bisher noch nie erreichter Dichte überzeugen: Die (natürlich katholischen) Tafelbilder sind in Form und Farbe auffallend klar, teils exaltiert gemalt. Besonders fallen die charakteristischen Männer-Gesichter in der Statisterie auf, fast sind es Fratzen. Wogegen die Frauen, die vielen Marien vor allem, seltsam blass wirken. Teils lässt sich das durch die Verwendung der immer gleichen Schablonen für die schönen, zur Seite geneigten Antlitze mit den so keusch gesenkten Augen erklären. Das erklärt die Leiterin der Restaurierwerkstätte des Belvedere, Stefanie Jahn vor dem Herzstück dieser 36 Werke umfassenden Ausstellung – den zwei Jahre lang in einer Schaurestaurierung (in der Mittelalter-Sammlung gegenüber) wieder hergerichteten, monumentalen Einzelbildern des Salzburger Altars. Ursprünglich waren es nur vier Flügel, die 1807 im Zuge der Säkularisierung in die kaiserlichen Sammlungen im Belvedere kamen. 1890, als das Kunsthistorische Museum fertig war, wurden die Sammlungen aufgeteilt, die über zwei Meter hohen Flügel kamen ins KHM, wo man die Außen- und Innenseiten in der Mitte auseinander sägte, nach dem Motto: Aus vier mach acht Bilder.

Vater und Sohn, erstmals vereint

Hier hängen sie jetzt, nach der nächsten Sammlungsumverteilung 1953, wieder im Belvedere. In voller Pracht, bis auf den desaströsen Wasserschaden der Krippen-Szene, die bei einer Aufbewahrung der Tafeln in der Krypta vom Salzburger Stift St. Peter passiert sein muss, so Jahn. Für diese Kirche ist – aller Wahrscheinlichkeit nach – der Altar um 1490/91 auch entstanden. Einige Leihgaben aus dem Umkreis Frueaufs des Älteren, der sich in Passau angesiedelt hat, konnte Kurator Björn Blauensteiner zusätzlich auftreiben: Die Mondsichelmadonna des Meisters von Grossgmain etwa, die 2005 in London aus österreichischem Adelsbesitz erstmals, 2014 dann ein zweites Mal versteigert wurde – und jetzt von Händler Sam Fogg verliehen wird.

Die wahre Sensation aber ist die erste Zusammenführung der Arbeiten des Vaters Frueauf mit denen des Sohnes, möglich gemacht durch eine Kooperation mit dem Stift Klosterneuburg, in dem das gesamte bekannte Werk des Jüngeren beherbergt ist. Bis auf eine Tafel. Die hängt im Belvedere, eine Anna Selbdritt mit Hl. Leopold. Man muss sagen: Es ist nicht das Hauptwerk dieses spärlich dokumentierten Maler-Sohns, der ca. 1470 bis 1545 lebte – und vor allem für die Augustinerchorherren in Klosterneuburg schuf: einen Passions- und einen Leopoldaltar. Grandios für uns heute ist der Hang des Jüngeren ins Modische: Die Beinkleider der Männerfiguren sitzen eindeutig enger als die beim Vater, sie wirken nahezu sexualisiert. Queen-Sänger Freddie Mercury hätte sich in den Overalls, auch in den sexy Posen gefallen. Die Grausamkeiten der Martyrien, ein abgeschlagener Kopf hier, ein blutiges Ohr da – sie sind hier nur noch Accessoires.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)

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