Leopold Museum: Farbig! Tierisch! Wild! Wertvoll! Pop! Kunst!

Dreht sich dieser Affe vom Künstlerpaar Les Lalanne zu Roy Lichtensteins „Forest Scene“ um? Beziehungen zwischen Kunstwerken scheinen Heidi Horten jedenfalls Spaß zu machen.
Dreht sich dieser Affe vom Künstlerpaar Les Lalanne zu Roy Lichtensteins „Forest Scene“ um? Beziehungen zwischen Kunstwerken scheinen Heidi Horten jedenfalls Spaß zu machen.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Von Expressionismus bis Pop-Art, von Klimt und Schiele bis Gerhard Richter: Die Milliardärin Heide Horten präsentiert zum ersten Mal ihre so eklektische wie beeindruckende Sammlung.

Zwei Fragen beschäftigte die Berichterstattung im Vorfeld der Ausstellung von Heidi Hortens Kunstsammlung im Leopold-Museum: Darf sie das? Und dürfen die das?

Darf die österreichische Milliardärin mit dem Geld, das ihr vor 21 Jahren ihr Mann, der deutsche Kaufhausbetreiber Helmut Horten, hinterlassen hat, überhaupt Kunst kaufen? Und dann mit ihr angeben sozusagen? Man könnte auch sagen: sie mit uns teilen? (Aber das hören die Fragenden nicht so gern.) Der Ursprung dieses Reichtums basiert schließlich auf die Vertreibung und Ermordung jüdischer Kaufhausbesitzer, deren Geschäfte Horten in der Nazi-Zeit und danach günstig übernahm. Diese Geschichte ist aufgearbeitet, wenn auch früher versucht wurde, sie hübscher darzustellen. Horten gilt nicht als Nazi, aber als Profiteur, der den rechtlichen Rahmen ausnützte. Wie so viele Personen, Firmen, Staaten. Dürfen Generationen von Erben danach keine Kunst kaufen? Sie nicht ausstellen? Ist es moralisch unverfänglicher, Jachten oder Waffen mit solchen Erbschaften zu erwerben? Nein. Und nein, man sollte die Geschichte nicht verschweigen, das tut das Leopold-Museum auch nicht, es wird im einführenden Saaltext der Internet-Hinweis angegeben, über den sich jeder über Helmut Hortens Geschäfte informieren kann.

Die zweite Frage: Darf gerade Agnes Husslein, die im Vorstand der Leopold-Museums-Privatstiftung sitzt, durch ihren jahrelangen Kontakt zu Heidi Horten eine Ausstellung für das eigene Haus ermöglichen, die finanzielle Vorteile bringt? Horten zahlt den Transport, die Versicherung, kostenlose Führungen, Gratiseintritt jeden Donnerstag von 18 bis 21 Uhr. Und wohl auch das Honorar für die Dienste Agnes Hussleins, die sie sich als Kuratorin gewünscht hat. Das ist natürlich schwer geschäftsschädigend für das Leopold-Museum. Und das war jetzt ironisch gemeint. Nebenbei bemerkt: Es gab immer wieder Personen aus diesem Vorstand, die im Museum kuratierten, von den Leopolds angefangen über Carl Aigner, was bisher noch nie jemand beanstandet hat. Es geht hier freilich nicht um Rechtliches, sondern um das, was man gemeinhin als rechtens ansieht – und die Volksmeinung hat sich gegenüber extravaganten Kunstsammlerinnen wie der Ex-Belvedere-Direktorin Husslein und der Milliardärswitwe vom Wörthersee längst ihr Urteil gebildet . . .

Geschlitzte Leinwände und ein „Z“

Das geklärt habend, kann man sich jetzt der Ausstellung zuwenden, die mit dem, zugegeben, reißerischen Titel „Wow!“ wirbt. Horten geht es bei der ersten Präsentation ihrer Sammlung, wie sie sagt, um die größtmögliche Breitenwirkung. Da könnte dieser Titel helfen. Steht man im Saal mit der Pop-Art, für die sie ein besonderes Faible hat (wie für Tierdarstellungen), ist der Titel nahezu genial gewählt, wie das Zitat aus einem Comic-Bild von Roy Lichtenstein. Von Lichtenstein hat Horten das Bild „Waldszene“ von 1980, für das er sich von einem Klassiker der Moderne inspirieren ließ: von „Rote Rehe“ des deutschen Expressionisten Franz Marc. Jetzt hängen die beiden praktisch nebeneinander, erstmals überhaupt.

Derartige Querverweise und Beziehungen scheinen Horten Spaß zu machen, immer wieder trifft man auf solche, flaniert man an den 170 Werken vorbei – etwa an einer Wand voller aufgeschlitzter Leinwände von Lucio Fontana, das war sein Signature-Stil der 1950er-Jahre. Dazwischen hat sich ein knallgelbes geschlitztes „Z“, wie Zorro, geschummelt. Ein ironischer Kommentar von Maurizio Cattelan auf seinen Landsmann, ein halbes Jahrhundert später. Ein weiteres Zwiegespräch führt Gustav Klimt mit seinem künstlerischen Ziehsohn Egon Schiele – Klimts Unteracher Kirche wird flankiert von zwei frühen Schiele-Zitaten des Mentors, den schmalen Bildern „Wassergeister I und II“ von 1907/08. Daneben hängt, passend zum Leopold-Museum, eine ganz andere „Wally“ von Schiele von 1912, aufgelöst in abstrakte, rechteckige Formen wie ein Schmuckstück.

Neben einigen weiteren Klimt- und Schiele-Arbeiten gibt es noch eine Verbindung zum Sammler Rudolf Leopold, er ritterte, ohne es zu wissen, bei einer Auktion mit Horten um ein Stillleben des russischen Blauer-Reiter-Malers Alexej Jawlensky. Horten gewann, jetzt ist es als Leihgabe hier (und man fragt sich insgeheim, in welchem Museum diese 700 Werke umfassende Sammlung letzten Endes tatsächlich einmal als Dauerleihgabe landet). Das wäre tatsächlich kein schlechter Deal für eine österreichische Institution. Vieles, was man jetzt sehen kann, sieht man hier selten bis nie und wenn nur temporär: Einige sehr schöne Werke von Francis Bacon, die Pop-Art mit Ikonen von Warhol bis zu den Ausläufern in Deutschland, drei Gerhard-Richter-Bilder etwa.

Das erste Schwammbild von Yves Klein

Einen ganzen Saal füllt feinster deutscher Expressionismus, die gemeinsame Liebe Hortens und ihres Ehemanns. Den Rest sammelte sie allein, nach seinem Tod, den Großteil in einigen Auktionen in den 1990er-Jahren, seither beraten von der damaligen Sotheby's-Österreich-Leiterin Agnes Husslein. Sie führte sie gut, das muss man sagen, denkt man, vor dem ersten Schwammbild Yves Kleins stehend – ein kunsthistorischer Hammer.

Immer wieder glaubt man, in der atemlosen Aneinanderreihung von Werken großer Namen, von Auguste Rodin, Paul Klee, Chagall, Baselitz, Rothko etc., endlich den Faden gefunden zu haben, den persönlichen Geschmack Hortens – liebliche Frauendarstellungen wie Renoirs Mädchen? Dann kommen zwei düstere Selbstporträts von Edvard Munch. Tiere? Dann kommt das Hirschgeweih von Not Vital, auf dem die Buchstaben „Fuck Me“ hängen. Gelb, Orange? Die Farben sind eher freundlich, das stimmt, was damit zusammenhängt, dass Horten mit ihren Werken in ihren diversen Wohnsitzen lebt, im Depot ist praktisch nichts, sagt sie. Am ehesten ist es der Anlagewert, der alles verbindet. Denn auch wenn sie das wie jeder Sammler verneint – gekauft wurde, was auch auf dem Markt stark präsent ist, was erklärt, warum so wenig Künstlerinnen vertreten sind. Einen Hauch Feminismus hätte man bei einer der wenigen Sammlerinnen dieses Kalibers, die noch dazu umgeben ist von weiblichen Beraterinnen und Mitarbeiterinnen, gern entdeckt. Aber vielleicht kommt das noch.

„Wow! The Heidi Horten Collection“, Leopold-Museum, bis 29. Juli, freier Eintritt jeden Donnerstag zwischen 18 und 21h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2018)

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