„Ich möchte die Bilder behalten“

Tom Selldorff über seinen Großvater Richard Neumann, die USA und seine Bindung an Österreich.

„Ich habe bei meinen Besuchen in Österreich ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Mit der politischen Situation bin ich nicht so vertraut, aber die wienerische Gastfreundschaft hat Tradition. Die Stadt Krems hat verantwortungsvoll agiert: Die Rückgabe der Kremser-Schmidt-Gemälde spricht für das Interesse Österreichs, das Unrecht während der nationalsozialistischen Besatzung gutzumachen“, schreibt der nahe Boston lebende 82-jährige Verfahrensingenieur Tom Selldorff im E-Mail-Interview mit der „Presse“. Aus dem Besitz seines Großvaters Richard Neumann (siehe Geschichte oben) sollen Objekte aus dem Kunsthistorischen Museum (KHM) zurückgegeben werden. Die Stadtgemeinde Krems retournierte Selldorff zwei Kremser Schmidts. Selldorff ist Neumanns Enkel.

Neumann musste vor den Nazis fliehen. Mit 11 kam der in Wien geborene Selldorff in die USA, die er heute als seine Heimat betrachtet, obwohl: „Meine Wurzeln sind sicher in Österreich.“ Die Fragen beantwortet er auf Englisch, er sprich aber Deutsch. Die Gemälde, die bereits zurückgegebenen sowie jene, auf deren Restitution er hofft, will Selldorff für seine drei Kinder und fünf Enkelkinder behalten – „zur Erinnerung an meinen Großvater, aber auch um meinen Nachfahren die Bedeutung von Kunst nahezubringen.“ Richard Neumann „war eine wundervolle Persönlichkeit: optimistisch und positiv, ungeachtet der schwierigen Umstände, die ihm auferlegt waren. Ich habe Briefe von ihm, in denen er seine Ansichten über Soziales darlegt und über die Verantwortung, die wir für diese Welt haben. Ich möchte seine Ideen an meine Kinder und Enkel weitergeben. Während seiner Jahre als Flüchtling in Kuba hat mein Großvater an den Abenden Vorträge über Kunst gehalten und war vor der Machtergreifung von Fidel Castro maßgeblich an der Gründung der Cuban Gallery of Fine Arts beteiligt. Ironischerweise wurde die Sammlung des Museums wohl von der Castro-Regierung verkauft. Ich schicke Ihnen anbei ein Foto meines Großvaters auf dem Pferd während des Ersten Weltkriegs.“ Wie lebt Selldorff heute? „Meine Frau und ich sind in Pension. Ich habe viele Jahre bei Ideal Standard, ITT und Shell gearbeitet, in der Technik, im Marketing, im Management. Wir lieben es zu reisen, waren in Afrika, Indien, Marokko, Frankreich, England. Derzeit müssen wir leider pausieren, da meine Frau nach einem Unfall eine neue Hüfte bekommen musste.“

Einwanderernation USA

Gibt es Verbindungen zu anderen Emigranten? „Wir haben viele Freunde, aber wir pflegen nicht speziell den Kontakt zu Emigranten. Sie dürfen nicht vergessen, dass ja die USA aus Immigranten bestehen. Boston ist eine Universitätsstadt, daher leben hier besonders viele Einwanderer aus aller Welt, die erst jüngst angekommen sind.“

Wien werde er immer lieben: „das Essen, die Musik und die angenehme Gesellschaft“. An eine Rückkehr denke er aber nicht. Man könnte allerhand Gutes und Schlechtes über die USA sagen, „aber die meisten Menschen hier sind sehr tolerant und besten Willens. Es ist noch immer ein sehr guter Platz zum Leben.“ bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2010)

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